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Ist eine differenzierte #SeeWatch3 -Debatte möglich? Mein Versuch:
1. Grundsätzlich: #Seenotrettung ist kein Verbrechen. Im Gegenteil: Solange Menschen das Ertrinken droht, ist Rettung Pflicht. Daher werde ich die Initiative @janboehm @damitdasklaas @officiallyjoko unterstützen.
2. Leider wird humanitäre Hilfe von Schleppern brutal ausgenutzt. „Setz Dich in unser Schlauchboot, dann wirst Du gerettet und kommst nach Europa“. So werden hoffnungslose Menschen gelockt. In Gesprächen in Marokko mit verzweifelten Migranten aus Subsahara-Afrika wurde uns das
geschildert: „Dann setze ich mich in ein Boot und entweder bin ich tot oder werde gerettet und bekomme eine Perspektive in Europa. Hier sterbe ich jeden Tag ein Stück, so sterbe ich entweder ganz oder bekomme eine neue Chance.“ Der Ist-Zustand befördert diese perverse Lotterie.
3. Wer jetzt meint, durch ausbleibende Seenotrettung diese Lotterie zu durchbrechen, nimmt dafür billigend den Tod all derer in Kauf, die in ihrer Verzweiflung dennoch mit den Schlauchbooten aufbrechen. Diese Inkaufnahme widerspricht zutiefst den humanitären Grundsätzen Europas.
Sie widerspricht nicht nur der christlichen Nächstenliebe, sondern auch der kantischen Pflichtethik, nach der ein Mensch stets Zweck an sich und nie bloß Mittel zum Zweck sein darf. Nichts rechtfertigt, Menschen einfach ersaufen zu lassen.
4. Wir befinden uns in einem ethischen Dilemma, weil die humanitäre Hilfe einerseits Pflicht ist, andererseits von Schleppern als Argument ausgenutzt wird, um weitere Menschen in die Schlauchboote zu holen und damit ihr Leben zu gefährden. Das dürfen wir nicht ignorieren.
5. Ein Aspekt wird in der Debatte fast völlig ausgeblendet: Es sterben noch weit mehr Migranten auf dem Weg zur nordafrikanischen Küste in den Wüsten der Sahara als im Mittelmeer. Darum kann es in einer ehrlichen Debatte nicht nur um Seenotrettung gehen.
6. Wir brauchen sichere Zonen nicht nur an den Küsten Nordafrikas, sondern auch in der Subsahara unter dem Dach von #UNHCR , von wo sich Migranten entweder aus humanitären Gründen oder als Arbeitskräfte für legale und sichere Einreise nach Europa bewerben können.
7. Bei Folgekonferenzen zum #GlobalCompact4Migration müssen diese Zonen zügig vorangebracht werden. Um dem ethischen Dilemma zu entkommen, müssen die Migranten dann konsequent in diese sicheren Zonen gebracht werden, um ausschließlich von dort geordnet nach Europa zu kommen.
8. Die EU darf Italien, Spanien und Griechenland nicht weiter im Stich lassen. Es ist unerträglich, dass das Migrationsthema nicht andere Priorität genießt. Wir brauchen dringend eine Dublin-Folgeregelung, die diese Länder entlastet und geordnete Migration ermöglicht.
9. Bis es allerdings eine geordnete Migrationspolitik gibt - und realistisch betrachtet, wird dies leider dauern - bleibt die Verpflichtung, niemand einfach sterben zu lassen. Das sollte aber nicht Aufgabe von #SeaWhatch3 o.ä. sein, sondern muss die EU selbst gewährleisten.
Mit einer umfassenden Präsenz der EU in den dortigen Gewässern kann sie gleichzeitig gegen Schlepper vorgehen. Wenn die EU diesen Weg durch eine reformierte #MissionSophia konsequent beschreiten würde, wären private Initiativen überflüssig und sollten dann auch unterbleiben.
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