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Habe mir letzte Woche ein #FCKNZS-T-shirt gekauft, weil ich das Bedürfnis hatte zu zeigen, was ich über rechte Gewalttaten und Terrorakte in #Hanau und anderswo denke. Trage das Shirt quasi immer, wenn ich raus gehe. Die Erfahrungen sind interessant. Ein Thread. (1/25)
Vorab: Ich wohne ein paar Kilometer von Hanau, und das Rhein-Main-Gebiet ist kulturell vielfältig. Ich mag das. Insofern sind meine Erfahrungen vielleicht nicht 1:1 auf Gegenden mit anderer Bevölkerungszusammensetzung übertragbar. (2/25)
Negative Reaktionen sind erstaunlich selten – da hatte ich anfangs ein bisschen Sorge. Aber sie beschränken sich meist auf böses, wortloses Anstarren, vor allem seitens einer Bevölkerungsgruppe: #AlteWeißeMänner. Damit kann ich definitiv leben. (3/25)
Was richtig, richtig cool ist, sind die positiven Reaktionen. Die Freude im Gesicht von Menschen, die mit sehr großer Wahrscheinlichkeit Erfahrungen mit #Rassismus machen mussten, wenn sie das Shirt sehen. Das ist eine ganz starke Erfahrung von Solidarität. (4/25)
Auf einmal ist klar: "Hey, die Frau ist schon mal kein Nazi! Wir spielen im selben Team und gegen denselben Gegner!" Vielleicht bilde ich mir das ein, aber irgendwie lässt in so einem Moment die Anspannung ein bisschen nach. (5/25)
Was mir dadurch total deutlich wird: wie verdammt privilegiert ich bin. Bei mir ist die "Markierung" freiwillig. Ich kann auch was anderes anziehen. PoC können dagegen z.B. ihre Hautfarbe nicht verstecken. Sie ist für jeden gewaltbereiten Nazi deutlich erkennbar. (6/25)
Als Frau kenne ich Wachsamkeit, wenn ich abends allein durch die Stadt laufe. Wie krass anstrengend es sein muss, STÄNDIG auf der Hut zu sein! Möglichst nicht aufzufallen. Niemanden irgendwie zu provozieren, in dem Wissen, dass die bloße Existenz schon "Provokation" ist. (7/25)
Ein Diskutant brachte es bei der Podiumsdiskussion in der @BS_AnneFrank letzten Mittwoch so auf den Punkt: Er wolle auch gern mal Wutbürger sein – aber das könne er sich nicht leisten. An dem Abend habe ich viel gelernt. (8/25)
Es ist so krass. Die vielen Vorsichtsmaßnahmen, die getroffen werden müssen. Die ständige Angst und Unsicherheit vor der Bedrohung durch Rassismus, Antisemitismus, Antimuslimismus, Antiziganismus etc., die einen ständig begleiten. (9/25)
Man muss halt im Grunde ständig vorbereitet sein auf das Schlimmste. Wenn man mal hochrechnet, wieviele Ressourcen, wieviel Lebensfreude dadurch verloren gehen! Und alles nur, weil wieder mal/immer noch einige verrohte Rassisten ihrem Herrenmenschenwahn erliegen. (10/25)
Terror hat ein Ziel: Angst zu verbreiten, indem das Gegenüber in ständiger Unsicherheit und Unvorhersehbarkeit gehalten wird. Kontinuität, Vorhersagbarkeit sind für Menschen essentiell, um im Leben klarzukommen. (11/25)
Was passieren kann, wenn das nicht gegeben ist, zeigen die empirischen Befunde zur sogenannten "erlernten Hilflosigkeit". Martin Seligman (der sich inzwischen mit der Positiven Psychologie ein erfreulicheres Thema gesucht hat) hat das in den 1970er Jahren beforscht. (12/25)
Die Erlebens- und Verhaltensweisen des "Opfers" ähneln dabei einer Depression: wenig aktiv, niedergeschlagen, hoffnungslos. Das funktioniert bei Tieren wie bei Menschen – Unvorhersehbarkeit gehört nicht umsonst zum kleinen Einmaleins der Weißen Folter. (13/25)
Unsicherheit entsteht ja nicht nur dadurch, dass man nicht weiß, ob einen potenziell jemand angreift, sondern auch dadurch, dass man nicht unmittelbar erkennen kann, wer von den Anwesenden im Zweifel in welchem Team spielen würde. (14/25)
Die Botschaft auf dem Shirt schafft dagegen Klarheit. Und zwar (1) für die von Rassismus direkt Betroffenen, (2) für die Rassisten, die wissen, dass sie hier nicht mit schweigender Zustimmung rechnen brauchen, und (3) für alle Umstehenden. (15/25)
(Interessant ist auch der Effekt, den das auf mich selbst hat: Ich fühle mich im Einklang mit meinen Werten, bin ruhiger, fröhlicher und dadurch auch offener für andere Menschen. Weniger hilflos, weil ich klar kommuniziere, dass ich gegen Rassismus bin. Weniger allein. (16/25))
Es ist klar: #WirSindViele. Aber wie viele, das ist im Einzelfall doch oft unklar. Man hört so viel von rassistischen Angriffen, dass die Bedrohung einem vermutlich recht groß erscheint, auch wenn es viel, viel mehr Leute gibt, die eigentlich total okay sind. (17/25)
Ich glaube, es ist in jeder Bevölkerungsgruppe so: Die meisten Menschen wollen im Grunde nur normal leben, arbeiten, Freunde und Familie treffen, ihre Kohle auf den Kopp hauen ;) und ansonsten ihre Ruhe. Das verbindet uns: der Wunsch nach Frieden. (18/25)
Genau diesen Frieden verhindern Rassisten. Sie schüren Hass und Ressentiments. Sie verletzen und töten Menschen. Sie zerstören Familien. Sie wollen ein Klima der Angst schaffen. Sie sind die Feinde der Freiheit. Sie sind der Gegner. (19/25)
Und, verdammt noch mal, #WirSindMehr! Jetzt ist der Zeitpunkt, um Farbe zu bekennen und deutlich zu machen, auf welcher Seite man steht: auf der Seite des Friedens und der Solidarität oder auf der Seite des Hasses und der Angst. (20/25)
Das ist eine Entscheidung, die wir jeden Tag immer wieder in vielen kleinen Einzelfällen treffen können. Wir können uns für die Freiheit entscheiden, indem wir uns nicht durch unsere Angst in vorauseilendem Gehorsam kleinmachen lassen. (21/25)
Denn wir haben viel mehr Freiheiten, als wir denken – umso mehr, je privilegierter wir sind. Daraus erwächst m.E. aber auch eine Verantwortung zur Solidarität mit weniger Privilegierten. Dass man aktuell vorn in der Fresskette steht, heißt nicht, dass das immer so bleibt. (22/25)
Muss ja nicht jede*r gleich ein #FCKNZS-T-shirt tragen ;) – aber vielleicht fällt Euch ja was Gutes ein, wie Ihr im Alltag zeigen könnt, in welchem Team Ihr spielt. Traut Euch was. Zeigt, dass Euch Rassismus nicht egal ist. Seid solidarisch – mit den richtigen Leuten. (23/25)
Unsere freiheitliche Demokratie ist ein großes Glück. Aber sie ist keine Selbstverständlichkeit. Sie muss immer wieder aufs Neue gegen Verrohung und Barbarei verteidigt werden. Dazu kann jede*r einen Beitrag leisten, mit jeder Entscheidung, die er*sie trifft. (24/25)
Also: Lasst Euch die Freiheit nicht wegnehmen von Menschen, die sie nicht respektieren und die im Fall des Falles kaum verantwortlich mit ihr umgehen würden. Seid sichtbar. Seid aufmerksam. Seid deutlich. #WirSindMehr!✊(25/end)
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