Der Kampf um R– ich möchte einmal versuchen darzustellen, wie bei einer Epi-/#Pandemie letztlich dieser eine Wert „R“ bestimmt, ob und wie sich die Infektion ausbreitet und wie beide Seiten– Mensch *und* Virus– versuchen, R zu ihren jeweiligen Gunsten zu verschieben! #COVID19
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Jeder, der mit dem Virus infiziert kann es theoretisch auf jemand anderen übertragen und damit zur Verbreitung beitragen. Bei wem das zu welchem Zeitpunkt wie wahrscheinlich ist, hängt von vielen Faktoren ab. Ganz klar: die Menge an „lebensfähigem“ Virus in den oberen…
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Atemwegen ist maßgeblich für die Möglichkeit, jemand anderen anzustecken, was aktuell nun auch in einer großen Studie gezeigt wurde⬇️. Die sog. Viruslast ist bei #SARSCoV2 übrigens bereits kurz (~1d) *vor* Einsetzen der Symptome sehr hoch, wodurch dieser Zeitraum um den…
3️⃣/
Symptombeginn herum der wichtigste ist, was die Übertragung des Virus angeht. Das ist schön zusammengefasst (leider 🇬🇧) von @mugecevik ⬇️. OK, zurück zum R-Wert. Dabei geht es um die durchschnittliche Anzahl an Personen, die von einem einzelnen Infizierten angesteckt werden.
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Diese Anzahl ist natürlich auch arg unterschiedlich, weil es ja darauf ankommt, was man genau zu dem Zeitpunkt unternommen hat, als man gerade hochansteckend war. Das trifft auf jede Infektion zu, aber in besonderem Maße auf #SARSCoV2– die meisten stecken niemanden oder…
5️⃣/
… nur ganz wenige (1 oder 2) an– siehe die kurzen Infektionsketten im ersten Bild⬇️. Es gibt aber auch die Fälle, in denen ein Infizierter eine ganze Menge Personen ansteckt. Das liegt aber am Zusammentreffen vieler Faktoren (siehe oben und ⬇️). Für die Ausbreitung der...
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… Infektion in der Bevölkerung insgesamt ergibt sich also eine mittlere Anzahl an Personen, die von einem Infizierten angesteckt werden, die irgendwo zwischen diesen häufigen 0-2 und den seltenen >>10 liegt. Diese Zahl nennt man R0 (R-🇩🇪null oder 🇬🇧-naught). Man kann also…
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… R0 ansehen als die „natürliche Wahrscheinlichkeit“ einen direkten persönlichen Kontakt anzustecken, multipliziert mit der Anzahl der Kontakte während der ansteckenden Phase. Die Vorstellung von R als Ansteckungswahrscheinlichkeit ist wichtig im Kopf zu behalten, wenn wir…
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… überlegen, wie wir eine Epidemie aufhalten oder ausbremsen können. Diese Wahrscheinlichkeit beruht nämlich auf verschiedenen Aspekten: 1) wie viele Viren gibt der Infizierte von sich bei Atmen, Sprechen, Niesen… 2) wie viele nimmt der Gesprächspartner davon auf.
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3) wie viele Viren braucht es, damit eine „produktive“ Infektion stattfindet (denn Achtung: die meisten Viren finden keine Zielzelle, und werden zB. verschluckt und verdaut!). Diese kombinierte Gesamtwahrscheinlichkeit muss dann noch multipliziert werden mit der durchschnittl.
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Anzahl an Kontakten. Die ist natürlich auch stark unterschiedlich zwischen einzelnen Personen und auch zwischen Kulturen. R0 kann daher nur grob geschätzt werden aufgrund von epidemiol. Daten und schwankt von Land zu Land und Methode zu Methode. Grob können wir aber davon…
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… ausgehen, dass #SARSCoV2 einen „natürlichen“ R0-Wert um die 3 aufweist. Das heisst, über alle Länder und Kulturen gemittelt steckt eine Person ca. 3 weitere Menschen an. Das ist ziemlich viel und erklärt, weshalb sich das...
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nature.com/articles/s4157…
journals.plos.org/plosone/articl…
…Virus so rasant schnell um die ganze Welt ausbreiten konnte. Wenn man nun also diese Verbreitung ausbremsen oder gar stoppen möchte, muss man sich überlegen, wie man diese durchschnittliche Anzahl an angesteckten Personen verringern, also diesen R-Wert drücken kann.
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Hierfür haben wir nur die „menschliche Seite“ der Übertragung in der Hand– wieviel Virus wir von uns geben (Maske! Niesetikette!), wieviel das Gegenüber aufnimmt (Maske! Abstand! Lüften!) und letztlich– vermutlich am wirkungsvollsten: wieviele Kontakte wir insgesamt haben…
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… (#Lockdown!, Kontaktbeschränkungen!). Denn ohne direkten Mensch-zu-Mensch-Kontakt kann sich das Virus *gar nicht* verbreiten. Indem wir an all diesen Aspekten drehen („Maßnahmen“), senken wir also die Übertragungswahrscheinlichkeit und damit das effektive R.
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Vermutlich wissen alle mittlerweile, dass wenn wir R unter 1,0 drücken, die Ausbreitung gestoppt wird und zurück geht (die Infektion letztlich also- erstmal- aussterben wird). Das ist also stets unser Ziel: R<1. Und hier kann folglich jeder mit anpacken und dazu beitragen!
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Die ungute- und für viele überraschende- Nachricht ist nun aber: die andere Seite von R, die nicht von uns beeinflusst werden kann (wie einfach kann ein Viruspartikel eine Zielzelle finden und infizieren kann), ist blöderweise auch nicht konstant. Hieran arbeitet das Virus!
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Ein Virus ist gegenüber seinen „Artgenossen“ logischerweise immer dann im Vorteil, wenn es die Wahrscheinlichkeit der Übertragung bei jedem einzelnen Kontakt erhöhen kann. Es kann sich so einfacher verbreiten– anstatt „nur“ 3 neue Menschen anzustecken, steckt es nun zB 4 an!
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Oder andersrum: die Wahrscheinlichkeit, dass der Infizierte es *gar nicht* weitergibt (s.o., kurze Infektionsketten), wird dadurch geringer. So ein Virus würde von der Natur folglich bevorzugt (natürliche Selektion) und sorgt so dafür, dass sein R-Wert steigt! Das wiederum…
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…ist gerade bei einem „neuen“ Virus wie #SARSCoV12 besonders ausgeprägt, da es aus einem Tier stammt (Fledermaus) und seine Oberflächenstrukturen noch nicht optimal auf den neuen Wirt (=uns) angepasst sind. Hier gibt es also viel Spielraum für Verbesserung (aus Sicht des…
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… Virus). Und da zufällige Mutationen eben, gerade bei RNA-Viren, recht häufig sind, ist es nur eine Frage der Zeit, bis eine Zufallsmutation auftaucht, die eben so einen Vorteil mit sich bringt. Etwas mehr zu Mutationen bei Viren hier:
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Wie so ein Vorteil auf molekularer Ebene aussieht, wird hier ein wenig erklärt– in aller Kürze: das Oberflächenprotein des Virus, #Spike, verändert sich so, dass es seinen Partner auf der menschlichen Zelle, #ACE2, besser erkennen und binden kann. Dadurch erhöht sich…
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…letztlich eben genau die o.g. Wahrscheinlichkeit, dass ein eingeatmetes Viruspartikel eine Zielzelle findet, sich an ihr festhalten und sie infizieren kann! Und genau das geschah eben auch bei den so viel diskutierten Varianten (UK #B117, Südafrika #B1135,Brasilien #B11248)
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Diese #Varianten ziehen den R-Wert also wieder in die andere Richtung. Das ist erst einmal nicht weiter tragisch, da sie nur einen kleinen Teil der zirkulierenden Viren ausmachen; der Gesamt-R-Wert liegt bei uns darum weiterhin unter 1,0 und die Zahlen gehen zurück. Da wir…
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…aber die Varianten aber per Sequenziertest nachweisen können, können wir beobachten, wie sie sich gegen ihre „Artgenossen“ durchsetzen und mehr und mehr die Oberhand gewinnen (siehe England oder Südafrika). Weiter geht’s hier:
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Hier schön zu sehen, wie der Anteil der Varianten auch hier bei uns aktuell ansteigt:

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7 Feb
Thread 7.2.21 Teil II

Je höher also der Anteil der #Variante|n an allen zirkulierenden #SARSCoV2-Viren ist, desto mehr wirkt sich ihr erhöhtes R auf den Gesamt-R-Wert in der Bevölkerung aus. Und dieses Gesamt-R versuchen wir ja wie gesagt möglichst unter 1 zu halten.
26/
Zu sehen, wie sich die erfolgreichen Varianten langsam (und schneller werdend) durchsetzen, erlaubt es uns, ein wenig besser vorauszuplanen, wie sich die Epidemie in der kommenden Zeit entwickeln wird. Es sieht leider sehr danach aus, dass die Variante(n) das Gesamt-R…
27/
…bald wieder über 1,0 ziehen könnten, und dann haben wir natürlich ein Problem. @c_endt hat das hier fantastisch erklärt und illustriert ⬇️.

Wer die Zusammenhänge in diesem (ich weiß: viel zu langen!) Thread verstanden und durchschaut hat, der wird vielleicht besser…
28/
Read 4 tweets
3 Feb
Was gibt es Neues zur „englischen #Variante#B117❓Ein kleines Update!

In aller Kürze: die erhöhte Ansteckungsfähigkeit bestätigte sich! Anzeichen mehren sich nun, dass auch das Risiko für schwere Verläufe etwas erhöht ist. Etwas ausführlicher im Thread.
#SARSCoV2 #COVID19

1️⃣/
Zuerst einmal: wer verstehen möchte, wie und warum Viren im Allgemeinen und SARS-CoV2 im Speziellen dazu neigen #Mutation|en auszubilden, so dass #Variante|n (oder neue „Linien“) entstehen, dem sei nochmals mein Thread vom Dezember empfohlen ⬇️

2️⃣/
Was gibt es nun also Neues? Der englische Gesundheitsdienst @PHE_uk hat ein Update seiner Daten zu VOC202021/01 (= B.1.1.7) veröffentlicht (bereits Mitte Jan, sorry!). Der Trend wird bestätigt, dass sich #B117 stark ausbreitet:

assets.publishing.service.gov.uk/government/upl…

3️⃣/
Read 19 tweets
25 Jan
Stimme zu– hervorragende Arbeit! In aller Kürze: @NussenzweigL und Mitstreiter untersuchen die Immunantwort gegen #SARSCoV2 / #COVID19 nach Infektion. Sie fanden: 1) SARS-CoV2-Antikörperlevel fallen über 6 Monate leicht ab, ABER: sog. Gedächtniszellen bleiben stabil!
1/6
Gedächtnisz. können bei erneuter Infektion sofort aktiv werden und neue Antikörper bilden, das ist also eine tolle Sache! 2) Die Antikörper früh nach Infektion sind überraschend wenig optimal. Erstaunlicherweise aber sind die Antikörper, die von den Gedächtnisz. später…
2/6
gebildet werden (in der Studie: 6 Monate nach Infektion) deutlich besser und spezifischer für das Virus (Spike) und können auch mutiertes Spike viel besser binden und neutralisieren! Schon wieder eine gute Sache! Wie kommt das? ➜ 3) Die Autoren fanden auch Monate nach…
3/6
Read 6 tweets
11 Jan
Für besonders Interessierte, hier ein toller Thread zu einer neuen Studie von Akiko Iwasaki und Kollegen ⬇️ In aller Kürze: #SARSCoV2 #COVID19 RNA (per #PCR gemessen) aus Speichel erlaubt genauere Rückschlüsse auf den Krankheitsverlauf als aus Nasen-Rachen-Abstrich! Wieso? 1/7
Zuerst einmal: nein, PCR aus dem Speichel ist NICHT „besser“ / empfindlicher als die konventionelle Methode mit Nasen-Rachen-Abstrich! Aber die im Speichel gemessene RNA stammt nicht nur aus den oberen Atemwegen (Nase-Rachen-Raum) sondern auch aus der Lunge! Das kommt daher,…
2/
dass die Lunge ein „Selbstreinigungs-System“ besitzt, das kontinuierlich Schleim nach oben befördert, um Staub-/Schmutzpartikel und eben auch Bakterien und Viren loszuwerden („Mukoziliäre Clearance“). Dieser Schleim wird dann ausgehustet oder geschluckt, landet also im Mund!
3/7
Read 7 tweets
11 Jan
Was ist dran an den berichteten allergischen Schocks bei der #Corona #Impfung?

1) Es gibt sie, aber sehr selten (ca. 1 pro 100.000, Bild 1)
2) Allerg. Reaktionen und Schocks (Anaphylaxie) gibt es bei quasi jeder Impfung (Bild 2)
3) Es hat nichts mit der #mRNA zu tun!
➡️ 1/2
Wenn es also wohl nicht an der mRNA liegt, und somit auch nicht an dem #Spike-Protein des #Virus, das von der mRNA gebildet wird, woran dann?

@ewyler hat das in seinem kurzen und sehr informativen Thread erklärt:
Die Quelle zu Bild 1 im ersten Tweet:

cdc.gov/mmwr/volumes/7…
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31 Dec 20
Ein neues Jahr steht vor der Tür! Wie kriegen wir es hin, dass ’21 besser wird? Wir müssen *jetzt* konkrete Strategien entwerfen und diskutieren, wie wir das #Coronavirus in Schach halten können!

Ein paar Eckpfeiler hierzu aus meiner Sicht:
1/
1) Der #Lockdown ist wichtig, um die Verbreitung des Virus überhaupt wieder unter Kontrolle bringen zu können. Nur mit niedrigen Infektionszahlen werden wir schutzbedürftige Menschen überhaupt ausreichend schützen können. Schmerzhafte Maßnahmen wie LD und Ausgangssperren
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haben in jedem Fall auch große Nebenwirkungen– ökonomische liegen auf der Hand, aber auch soziale und psychische. Darum müssen sie so effizient und nachhaltig eingesetzt werden, wie es überhaupt nur geht. Hierfür wäre eine europaweite Abstimmung extrem hilfreich:
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Read 16 tweets

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