Bei der Recherche für unseren #Laberfach-#Podcast🎧 (open.spotify.com/show/0G3o7TI59…) bin ich oft fasziniert, dass man für sehr (!) komplexe, (zB historisch) voraussetzungsreiche Literatur S:uS-Materialien für Klasse 7/8 findet.
Mit „fasziniert“ meine ich „arg misstrauisch“ 🤨 2/15
Natürlich schaue ich dann immer in die Lehrer-Heftchen.
Was mache ich falsch, dass offenbar nur meine 8er keine feuilletonfähigen Essays über zynische Regieanweisungen in Jelinek‘schen Dramen abfassen…? 🤔
Der Verlag™ empfiehlt:
3/15
I. INHALTSANGABEN
Lessing *gelesen* hat man ja irgendwie auch, wenn man bis zur Unkenntlichkeit zurechtgepfuschte Text-Häppchen, deren Fußnoten länger als der eigentliche Textschnipsel sind, nochmal in mehr oder minder *eigenen* Worten abschreibt. 4/15
II. SUGGESTIV-FRAGEN
„Ist die sehr belesene und selbstbewusste Gräfin den wiiiiihirklich nur eine negative Figur? … Ja, richtig, Erna-Liberté! Sie hat auch positive Seiten, weil sie auch sehr… Manfred-Shmebulock? … genau! …BELESEN ist! 😊“ 5/15
Ja, Übertreibung.
Was nicht übertrieben ist:
Die *Anregungen* für Unterrichtsgespräche bestehen oft aus Listen von quasi-rhetorischen Fragen, die (auch von 13-jährigen erkennbar) die Antwort enthalten oder eine Antwort nahelegen, selbst wenn man das Buch gar nicht kennt. 6/15
III. LÜCKENTEXT-TAFELBILDER
*Anregungen* für dreifarbige Tafelbild-Kunstwerke mit mehr Pfeilen als in jedem Winnetou-Film.
Ja, natürlich mit passender Frage-Liste dazu – alles rein inhaltlich versteht sich. 7/15
IV. TEXTE OHNE AUFGABE
Ich weiß nicht, ob es ein *Arbeits*-Blatt ist, wenn den 7ern zum ganz deepen Durchdringen der Lektüre noch vereinfachte Fachtexte ohne Arbeitsauftrag o.ä. vorgesetzt werden.
Man könnte noch ein: „☑️ Zur Kenntnis genommen“-Feld ergänzen. 8/15
Close Reading, sinnhafte & selbstständige Wortschatzarbeit, Einbringen eigener Interessen, wenigstens Anregungen/relevante Ansätze zur kritischen Urteilsbildung, Diskussions-Anlässe… 9/15
… Differenzierung / Individualisierung (nicht nur nach Leistungs-Niveau), eigene, nicht fremdgesteuerte Interpretation – rundum: jeder Weg zum mündigen Lesen 😩
Der Verlag™ nutzt komplexe Werke als Steinbruch, um Textverständnis (reiner Wortsinn) mit Betreuung zu üben. 10/15
Und warum? Damit man dann stolz sagen kann, dass die 7e jetzt Fontane *liest*?
Herzlichen Glückwunsch? 🤷🏼♂️ 11/15
Mir ist völlig bewusst, dass Schüler:innen kompetente Begleitung beim Lesen herausfordernder Bücher brauchen.
„Auf Nachfrage inhaltliche Angaben in Lehrer-Monologen oder Tafel-Gemälden ergänzen“ ist aber keine Begleitung, sondern das Vortäuschen von Lernen 12/15
Mir ist auch bewusst, dass Kolleg:innen die (verblüffend konkreten) *Anregungen* ja sicher nicht 1:1 umsetzen.
Leider habe ich aber nicht nur einmal Kolleg:innen erlebt, die (wegen des stressigen Alltags oder wegen sonstwas) leider genau das getan haben 🤷🏼♂️ 13/15
FAZIT
Mir ist schleierhaft, warum es einen Markt für solche Heftchen gibt.
Viele Lektüren sind zu hoch für 13-jährige. Dann liest man sie eben später 🤷🏼♂️
Der Selbstbetrug, Goethe für Billo-Lesetraining zu missbrauchen und jede Interpretation zu suggerieren, ist lächerlich 14/15
Auf dem Weg zum mündigen, selbstständigen und kritischen Leser muss es nicht immer Schiller sein, auch wenn wir Deutschlehrer:innen uns da manchmal zu gedrängt fühlen.
Wichtig ist, dass die kommenden Generationen kritischer sind und lieber lesen als viele aus unserer 🤷🏼♂️ 15/15
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Die Nebenausstellung „Grammatik“ direkt am Eingang ignorieren wir heute (wie die meisten Besucher).
Die staubigen Exponate (ellenlange Tafelanschriebe, gestelzte Lückentexte aus 3 Jahrhunderten…) sind eher etwas für Liebhaber. Der Bereich wird aber bereits renoviert. 2/10
Die Hauptausstellung „Literatur“ wird am stärksten frequentiert.
Auf meterhohen Podesten stehen monolithisch die leicht vergilbten Prunkstücke des Hauses – Goethe, Fontane, Heine, Kleist.
Ein Konzept scheint die Anordnung nicht zu haben. Insgesamt ist der Raum recht eng. 3/10
Hans-Jürgen Pandel (Geschichtslehrer-Papst) nennt so den aktuellen Geschichtsunterricht mit absurd vollgestopften Lehrplänen bei minimalem Stundenumfang:
Es wird halt alles mal erwähnt.
Für Zusammenhänge fehlt oft die Zeit. #TWLZ
Das Fach Geschichte ist das Parade-Beispiel für überfrachtete Lehrpläne.
Natürlich darf man die nicht verschlanken – immer schon so gemacht und alles sehr wichtig und Kulturverlust bla!!!1117 – aber in einem zweistündigen Nebenfach kann man dann eben jedes Thema nur anreißen. 🤷🏼♂️
Beispiel: NRW, Gymnasium, Klasse 6:
In 90 Minuten pro Woche hangeln sich 12-jährige von der Ursuppe über das aussterbende Mammut zu den Griechen zu den Römern über den großen Karl in den Investiturstreit.
Das verläuft natürlich sehr detailliert und nachhaltig.
Ich, Lehrer an einer weiterführenden Schule, fürs Impfen bisher nicht vorgesehen, soll ab kommender Woche danebensitzen, wenn Schüler:innen ihre Masken abziehen, um sich mit Schnelltests im Gesicht herumzustochern?! #TWLZ
... mit meiner ganzen medizinischen Expertise, wie man sie im Germanistik- und Geschichtsstudium halt erwirbt...? 😶
Aber hey – dann habe ich wenigstens mal einen Schnelltest aus der Nähe gesehen.
Die Tests in der Schule sind ja für die Schüler:innen.
Wir Lehrer:innen bekommen nur einen, wenn wir privat zum Hausarzt gurken 🤗 #TWLZ#NRW
Im #Twitterlehrerzimmer wird viel aneinander vorbeigeredet, weil Kolleg:innen aus völlig verschiedenen Perspektiven auf #Schule schauen.
Visionäre versus Pragmatiker
⬇️Thread 1/16
A: DIE VISIONÄRE
Perspektive: „Das Schulsystem“™️ habe sich selbst überlebt.
Man müsste es mit neuem Mindset, agil und out of the box völlig neu denken. Traditioneller Unterricht, oft objektiv messbar Zeitverschwendung, gehöre mit Projekten, Kollaboration... revolutioniert 2/16
Der Visionär brennt für die Kultur der Digitalität, implementiert die 4K, diskutiert Best Practice auf Clubhouse, vernetzt sich auf Barcamps und teilt aktiv Impulse und Materialien in bunter und mitreißender Form.
Sinnstiftendes, nachhaltiges Lernen ist ihnen wichtig. 3/16