Wie der #TagderBefreiung in einem kleinen Dorf in Oberhessen ablief (laut meiner Großtante, damals 20), irgendwann Ende März 1945:
Aus Gießen kommt die Nachricht, die US Armee habe die Stadt eingenommen. Die 180% im Dorf (von denen es noch einige gab), wollen unbedingt das Dorf "verteidigen".
Ein paar ältere Bauern, Bäuerinnen, der Pfarrer und die frz. Kriegsgefangenen, die im Dorf bei den Bauern arbeiteten, tun sich zusammen und schnappen sich die Volksgenossen & sperren sie ein.
Die HJ-ler, die dringend mitmachen wollten, werden von meiner Tante Lisa zusammengeschissen & gehen nach Hause. Der Pfarrer hisst auf dem Kirchturm ein großes weißes Tuch. Mein Uropa & die Franzosen & der Pfarrer stellen sich an die Straße, von wo die US Army kommen wird.
Dem Nachbar meiner Großeltern fällt ein, seine Hitler-Devotionalien bei uns in den Hof zu werfen – weil ja keiner da ist. Meine Großante kommt zurück, mit nem Nachbarsjungen (HJler) & versucht, Hitlers Büste im Plumpsklo zu entsorgen. Vergeblich, er poppt immer wieder hoch.
Zitat Lisa: "Scheiße schwimmt oben." Mittlerweile sind die Amerikaner im Dorf, akzeptieren die "Übergabe". Lisa & Karl versuchen immernoch, Hitlers Büste zu ersäufen. Eine kleine Gruppe US-Soldaten kommt in den Hof. Panik & Todesangst.
Lisa radebrecht eine Erklärung, einer der Franzosen ist mit den Amis mitgegangen & erklärt auch irgendwas, was Lisa nicht versteht. Die AMerikaner lachen & kaufen ihr die verschissene Hitlerbüste für mehrere Päckchen Zigaretten ab. Karl vercheckt seinen HJ-Dolch für Zigaretten.
Der Pfarrer zeigt den Soldaten den eingesperrten Volkssturm. Später kommt MP und schafft sie nach Gießen. Niemandem von denen, obwohl üble Nazis & Arisierungsgewinnler ist später was gravierendes passiert. #TagderBefreiung
Um das klarzustellen: Außer meinem Urgroßvater war niemand vorher widerständisch. Lisa war BDM-Führerin, mein Großvater und sein Bruder Wehrmachtssoldaten. Sie waren von ihren christlichen Eltern, die ihnen prophezeiten, dass das ein schlimmes Ende nimmt, genervt.
Mein urgroßvater wurde mehrfach wegen Unterstützung von Juden (Lebensmittel, er war Bauer & Zimmermann) & Feindsender hören & defätistischen Reden denunziert. Seine Soldatensöhne (einer mit Tapferkeitsmedaillen) & der Nazi-Honoratioren-Schwager haben ihm wohl den Arsch gerettet.
Außer für die frz. Kriegsgefangenen im Dorf & wahrscheinlich meinen Urgroßvater war das für niemanden der #TagderBefreiung . Die waren froh, dass der Krieg zuende war & wollten ihr Dorf vor der Zerstörung bewahren. Es gab Dörfer & Städtchen in der Region, die wurden "verteidigt".
Das wollten die Mehrzahl der Bewohner verhindern & raffte sich deswegen auf, sich gegen die alte Macht zu erheben & die neue Macht freundlich zu stimmen.
