#SagenWasIst 1: Vor 10 Jahren war ich SPIEGEL-Redakteur. Von nichts und niemand habe ich in meiner Laufbahn als Journalist so viel gelernt wie von der Arbeit mit den Leuten der SPIEGEL-Dok (Johannes, Janine u.v.m.): Ringen um Details, Nachschärfen von Wörtern, Sätzen, Passagen.
#SagenWasIst 2: Die Leute von der SPIEGEL-Dok waren sturznüchterne Eitelkeitsbremsen und hilfreiche Pedanten, die jedes kleine Detail hinterfragten und deshalb von manchen SPIEGEL-Redakteuren als nervige Faktenknechte gesehen wurden #Relotius #Spiegel
#SagenWasIst 3: Aber ihre Arbeit beruhte immer auf Vertrauen. Wenn ein Redakteur (m/w) auf etwas beharrte, das sie nicht nachprüfen konnten, ging es durch und wurde eigens markiert („vom Autor so gewollt“). #Relotius #Spiegel
#SagenWasIst 4: Es gab damals beim SPIEGEL Redakteure, die sich beschwerten, wenn nach Veröffentlichung Fehler in ihren Texten gefunden wurden („Dafür ist doch die Dok zuständig!“) #Relotius #Spiegel
#SagenWasIst 5: Dieses Vertrauen scheint mir der Unterschied zu amerikanischen Medien: Als ich später für die New York Times eine Reportage aus Nordkorea schrieb, rief mich der Faktenchecker an und monierte eine Formulierung von mir... #Relotius #Spiegel
#SagenWasIst 6: Ich hatte von einem „little man“ im Projektionsraum des größten Kinos von Pjöngjang geschrieben. Der NYT-Factchecker: „Woher wissen Sie, dass der Mann klein war?“ Ergebnis: das Adjektiv flog raus. nytimes.com/2008/11/23/mov… #Relotius #Spiegel
#SagenWasIst 7: Der Reportagestil, der unter @schnibben, Geyer und Fichtner so gefördert wurde, ist voll von solchen Drehs und perfekt passenden Details. Das liest sich schmissig, richtig rund und besser als das wahre Leben: Kino im Kopf hat, nicht Tageschau #Relotius #Spiegel
#SagenWasIst 8: Ich habe nur einmal mitbekommen, wie ein SPIEGEL-Kollege ein Detail völlig frei erfand - und damit durchkam. Was ich nie verstand: warum will man als Reporter etwas dazu erfinden, wenn die Gesprächspartner und Themen an sich schon spannend sind? #Relotus #Spiegel
#SagenWasIst 9: Warum legte #Relotius einer Zeitzeugin wie Traute Lafrenz Worte in den Mund, deren Geschichte ohnehin atemberaubend ist? Mir reichte, was Leute wie Hanna Maron (malteherwig.com/wp-content/upl…) oder Erich Priebke (sz-magazin.sueddeutsche.de/geschichte/der…) und andere mir erzählten.
#SagenWasIst 10: An der Kritik der „Preisträger-Prosa“ ist sicher was dran. Die Realität ist faszinierend, nur selten so perfekt gestylt und moralisch eindeutig wie in vielen Reportagen. Ich fand es immer OK, meine Zweifel und Unsicherheit in den Texten offen zu legen. #Relotius
