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Verrohung der Sprache braucht keine Drohungen und Beschimpfungen. Sie zeigt sich perfider im Weglassen von Wörtern und Zahlen. Da werden Zehntausende Tote mit keinem Wort erwähnt; Foltergefängnisse, prügelnde Küstenwachen, abgrundtiefe Verzweiflung - keine Silbe. (1/10)
Eine längst gescheiterte Politik des Wegsehens, der Deals mit Despoten und Milizen - kein Satz. Stattdessen wird der allerletzte Dominostein einer langen Reihe an Unmenschlichkeit „Provokation“ genannt, „Katastrophe“, werden die Begriffe der einen Seite übernommen… (2/10)
...während die andere verhaftet wird. Sprache, Denken und Handeln verrohen, wenn wir nicht mehr über Ursache, Umstände und Ethik sprechen. Sondern nur noch „Recht“ angewendet sehen wollen. (3/10)
„Auch Lebensretter müssen sich Kritik gefallen lassen“, ein brutaler Satz aus der Hölle angesichts der vergangenen Jahre, in denen vor allem jene unter der Verrohung litten, die nicht verrohen wollten. (4/10)
Menschen werden in Europa ermordet, weil sie Geflüchteten helfen. Menschen kommen ins Gefängnis, wenn sie dort helfen, wo die Verrohung die anderen lieber ertrinken lassen will. Zur „Abschreckung“, ein Wort selbst so roh und nutzlos, eine sprachliche Ruine. (5/10)
Die einzig konsequente Frage dazu ist doch: Wie viele Tote braucht es für eine wirksame Abschreckung? 10000 pro Jahr? 100000? Zählt es nur, wenn sie ertrinken, oder ist an Land sterben ausreichend schrecklich? Muss man die Bilder davon nach Süden senden, um Tote zu sparen? (6/10)
Die Verrohung ist dort weit fortgeschritten, wo in den Köpfe der selbsternannten „Mitte“ das alles keine Rolle spielt. Sondern ein „heftiger Zwischenfall“ zwischen zwei Booten in einem Hafen mehr Empathie verdient hat, als jeder der 40 geretteten Insassen. (7/10)
Verrohter als die, die Carola Rackete ins Gefängnis wünschen (sie waren wohl nie etwas anderes als unbarmherzig) sind jene, die nicht mehr beschreiben wollen, warum sie tut, was sie tut. Sie halten sich die Augen zu und hoffen, unsichtbar für das Monster Moral zu sein. (8/10)
Alles wird weggelassen, was die eigenen Widersprüche offenlegen könnte. Übrig bleiben verräterische Sätze wie der, man müsse Salvini „ohne Not kein Futter geben“. Die Verrohung ist hier fortgeschritten bis zur Sinnleere. (9/10)
„Eine Katastrophe mit tödlichem Ausgang“ hätte Rackete riskiert, beklagte Salvini, breit zitiert. Die Katastrophe gibt es längst. Europa führt Krieg gegen Afrika mittels unterlassener Hilfeleistung. Die Propaganda dafür kommt als unterlassene, maximal verrohte Sprache. (10/10)
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