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Im #ExtinctionRebellion-Buch _Wann wenn nicht wir_ (Verlag S. Fischer) ruft bereits nach wenigen Seiten Sina Kamala Kaufmann im Teil "Wir* – Vorwort" die "Opferbereitschaft" auf. Sie spricht mit dieser Bereitschaft zum Opfer ein "Wir" an, ein inklusives und nennt dieses ein
"kollektives emanzipatorisches Ideal". Mit dem Wir mit Platzhalter-Sternchen meint sie "wir alle". Das grenzt an religiöses Anthropozän, geht es doch bei #XR um die "extinction", wobei die Tiere für XR nur die Platzhalter "des" Menschen darstellen. Für Kaufmann sind Menscheit
und "geschichtliches Subjekt" ein und dasselbe. Es geht um den Planeten. Nicht um Klassen, nicht um Eigentümer, nicht um genau analysierte Produktionsweisen, nur um "Überleben und Demokratie". Sie schreibt weiter von einer "globalen Ermächtigung des
freien Marktes", die sie mit diesem "wir" so in Beziehung setzt, als hätte eben eine Ermächtigung, also Einsetzung dieses freien Marktes durch das "wir", das
heißt "uns" irgendwann und irgendwie stattgefunden. Die von ihr verwendete Wendung "wir uns, als Menschen",
verbunden mit der Trope der Evolution, spricht Altes Testament. Und zwar das Buch Genesis Die Erschaffung der Welt (Gen 1,28): "Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die
Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen." Kaufmann schreibt im biblischen Duktus. Evolution steht bei ihr für "Schöpfung", an deren Nachbau "wir" gescheitert seien, und Kapitalismus heißt "toxisches System" – ohne, dass die
Autorin weiß, was das ist, Kapitalismus. Von dem sie nur Phrasen weiß. Die Distanzierungsversuche durch Extinction Rebellion Deutschland von Roger Hallam und seiner Relativierung der Shoa () wirken in Bezug zu Kaufmans Predigt des "Wir" nicht ganz
durchdacht. Es sieht eher danach aus, dass sich XR insgesamt, in Deutschland wie anderswo, von einem missionarischen Eifer her speist, der zum Grundstock der Bewegung gehört. Hallam schreibt in _This is not a drill_ (Penguin Books) nach seinem Aufruf zu Handeln
angesichts der Klimakrise "See you on the streets". Bei Kaufmann heißt das "Wir* sehen uns – auf der Straße!". Wer diesen Gruß, diese Aufforderung an promineter Stelle im Buch, gleich hinter dem Vorwort, formulieren darf, im Fall von Kaufmann, sollte einen gewissen "Rang"
innerhalb der Autorinnengruppe der Extinction Rebellion-Publikationen (zumindest bei der deutschen Publikation) innehaben. Beide Appelle für die Straße einen diese beiden Autoren. Dass Hallam den Holocaust – oft falsch mit "Brandopfer" übersetzt, denn gr. holókaustos heißt
"vollständig verbrannt" – an die Stelle der generell abgefragten Opferbereitschaft im XR-Milieu setzte, ist, was das "Drill"-Buch angeht, nicht klar. Dass er es verbal tut, ist klar. Der Holocaust ist für Hallam ein zu relativierendes Opfer, gemessen an den Leiden, die
nötig sind, um die Menscheit – um mit Kaufmann zu sprechen – oder "millions of good people", bei Hallam, auf den richtigen Weg zu bringen.
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