, 26 tweets, 5 min read
My Authors
Read all threads
Die Besprechung der Neuverfilmung von #DasBoot im WRKSHP () weist einige Mängel auf. Diese helfen jedoch, die Fernsehserie besser zu vestehen und ihre Kriegsrelativierung einzuordnen. Die Filme, oder besser die Videos im Heimkino[1] verherrlichen nicht
einfach Soldaten und Soldatinnen. Sie sind etwas komplizierter aufgbaut. Was sich auch an ein in gewisser Weise blick- und literaturgeschultes Publikum richtet. Sie zeigen aber tragische Antihelden, die an ihrer persönlichen Situation im Krieg leiden, diese aber auch erdulden.
Die Marinesoldaten opfern sich und müssen tun, was sie tun. Sei es aus Pflichterfüllung oder Überzeugung. Beides, Gehorsam und Ideologie, sind Topoi, die den Referenzautor der Serie, Lothar-Günther Buchheim, umtrieben. Buchheim war allerdings nicht Autor der Drehbücher.
Bei Filmserien hat man es ohnehin mit einem Industrieprodukt zu tun, das hochtechnisiert in Handarbeit hergestellt wird. Regie und Skript, aber ebensowenig die Schauspieler oder das Filmbild selbst können als simpler Aussage- oder Inhalt-Container einer Intention vestanden
werden. Die gesamte Serie firmiert beim Zweiten Deutschen Fernsehen unter dem Motto "Filmklassiker neu interpretiert" und das erklärt auch den Entwurf des so genannten Serien-Events. Die Serie IST das Event, nicht ihre Rekurse, ihre Verweise und nicht ihr Inhalt, die
vermeintliche Darstellung von Geschichte. Nur wenn Fiktion und Realität, Geschichten und Historie, auseinandergehalten werden, ist dieses Das Boot in seiner Relevanz und seiner bild-politischen Ungeheuerlichkeit begreifbar.
Die Eingangssequenz, der Serie - die nicht auf Netflix gezeigt, sondern von Sky produziert und auch dort zuerst gecastet wurde - zeigt im Teil 1 mit dem Titel "Neue Wege" jedenfalls keinen Flashforward. Sie zeigt eine Vorgeschichte. Nämlich den Untergang jenes unlauteren
Hasardeurs, der später in Teil 5 gegen den jungen Kapitänleutnant stehen wird, der im Gegensatz zum Hasardeur Befehlen gehorcht. Damit ist ein Kern der Serie eröffnet, der tatsächlich mit einer intraseriellen Koheränz hergestellt wird. Früher nannte man das Dichte.
Die Dichte der Erzählung bewirkt, dass man den Figuren, ihren Handlungen und ihren Beweggründen über lange Strecken, immerhin gut 8 Stunden, folgen kann. Die Dichte ist nämlich relativ "dünn", wobei die Figuren relativ komplex erscheinen. Die Serie funktioniert vor allem
über die Figuren, die man in teils absurden Szenen, die unglaubwürdig sind, trotzdem als kohärent erlebt.[3] Sind diese Szenen und Suberzählungen - dramatischste Beziehungen, Showdowns, akkumulierter Stoff und Begegnungen von Aufeinandertreffenden an Erzählkreuzungen, die
wie pageturner fungieren - ungaubwürdig so sind sie dennoch Medium eines Kontextes. Der Kontext ist vor allem der Soldat oder das Soldatische. Der "böse" Hasardeur gesteht einem "guten" Sympathieträger aber leider auch Opportunisten gegen Ende der Serie seinen
Fehler, der zum Untergang seines Bootes führte. Es geht im "Boot" und auch an Land nicht um Schuld oder die Frage, wer diesen Krieg zu verantworten hat. Es geht um individuelles Handeln in individuellen Situationen mit großer Wirkung. Krieg wird als gegeben dargestellt.
Die Serie bleibt strickt in der Binnenperspektive der Subjekte. Und die "große Wirkung", die Konsequenz der individuellen Handlung, ist dramatisiert. Die beteiligten Personen stellen die Geschichte dar. Konsequenzen sind Unabänderbarkeiten und Ästhetik. Darum ist Buchheims
Darstellung des Krieges und die seiner Adepten im Jahr 2018 verengt und entlastend. Im Moment der Schönheit, den der Hasardeur empfindet – wenn Teil 1 und Teil 8 etwa bei Minute 14 zusammenkommen und sich der Kreis schließt – als er aus dem Meer springende Delphine beobachtet
und die tödliche Gefahr für sein Boot nicht wahrnimmt, in diesem Moment wird die Ablehnung des Tötens allgemeinmenschlich für Buchheim und die Zuschauer deutlich. Sie ist eine besondere Ablehnung, eine deutsche. Es ist die Zurückweisung des Tötens seitens Feindes. Denn
der tötet und das wird, von der Schönheit der Welt abgelenkt, zum eigenen Nachteil übersehen. Die Ablenkung selber ist synonym mit der Ablehnung des tötenden Feindes und verläuft synchron mit der Todesverachtung. Beides zusamengenommen ist Buchheims persönlicher Topos
und persönliches Motiv und darum der Topos von "Das Boot" und einer neo-revisionistischen Geschichtsschreibung in der Bundesrepublik. Der Krieg der Anderen wird ästhetisch motiviert abgelehnt. Man stellt sich diesem aufgezwungenen Krieg, wie der junge
Kapitänleutnant, aber man fetischisiert ihn nicht, wie der Hasardeur. Das steht so in Buchheims Buch: "'Delphine!' Sie kommen heran wie schlecht eingesteuerte Torpedos – halb durchs Wasser und halb durch die Luft schießend."
Und: "Das ist kein Schwimmen, vielmehr ein leichtes Kurven und Springen. Das Wasser scheint ihnen gar keinen Widerstand zu bieten. Ich muß mich selber ermahnen: Nicht hingucken – auf den Sektor aufpassen!" Im Film wird es zu einem Spiel mit Statements:
Der Hasardeur, der pflichtbewußte Kapitänleutnant und der Sympathieträger-Opportunist sind Haltungen vor einem historischen Gericht – denn "Das Boot" ist ein Rechtfertigungsroman – die den Angriffskrieg Nazideutschlands relativieren. Der Hasardeur ist fanatisch und darum
ethisch nicht akzeptabel. Da er aber nur seine Schuld auszugleichen versuchte, ist er entschuldigt. Der Pflichtbewußte ist der Gradlinigste, weil er Befehle korrekt und ritterlich ausführt und darum ist er der Konturloseste. Er erinnert stark an die Position des
"banalen Bösen", sich auf einen Befehlsnotstand zu berufen, den er aber, da geht die Figur in die Kreativleistung des Zuschauers hinein, ritterlich ablehnen würde. Der Sympathieträger-Opportunist führt aus zwischen Pflicht und Hasardeurentum, situativ, gezwungenermaßen, der
Macht unterworfen. Der pflichtbewußte Kapitänleutnant aber sagt an einer Stelle die offenste Kriegsrelativierung. Den Amerikaner, der er für einen Gefangenenaustausch transportieren muss, der laut Drehbuch den Krieg des "Dritten Reichs" auch noch finanziert hat, belehrt er
angesichts ertrinkender feindlicher Matrosen so: Das Töten seitens der Deutschen geschieht nur, weil der Amerikaner an Bord ist. Weil der Amerikaner an Bord des Bootes und "an Bord des Krieges" ist, geschieht dieses pars pro toto, geschieht dieser Krieg.
Abstrahiert: Der Deutsche wollte diesen Krieg nicht. Er handelt aus dem inhärenten Zwang des Krieges selbst. Der Krieg Nazideutschlands ist damit ein Strukturproblem und kein Problem des Verursacherprinzips.
Yelena Simc
(Fortsetzung folgt)
Missing some Tweet in this thread? You can try to force a refresh.

Enjoying this thread?

Keep Current with WORKSHOP

Profile picture

Stay in touch and get notified when new unrolls are available from this author!

Read all threads

This Thread may be Removed Anytime!

Twitter may remove this content at anytime, convert it as a PDF, save and print for later use!

Try unrolling a thread yourself!

how to unroll video

1) Follow Thread Reader App on Twitter so you can easily mention us!

2) Go to a Twitter thread (series of Tweets by the same owner) and mention us with a keyword "unroll" @threadreaderapp unroll

You can practice here first or read more on our help page!

Follow Us on Twitter!

Did Thread Reader help you today?

Support us! We are indie developers!


This site is made by just three indie developers on a laptop doing marketing, support and development! Read more about the story.

Become a Premium Member ($3.00/month or $30.00/year) and get exclusive features!

Become Premium

Too expensive? Make a small donation by buying us coffee ($5) or help with server cost ($10)

Donate via Paypal Become our Patreon

Thank you for your support!