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Thread zu meinem "Touritrip" nach #Frankfurt. Wahrscheinlich wird er länger als ursprünglich geplant (dafür schon mal sorry.) Das hat aber einen Grund, der im Verlauf des Threads deutlich wird.

Ich liebe diese Stadt! ❤️
Und da geht ausnahmsweise mal nicht (nur) um Fußball.
Ich steige am Hauptbahnhof aus und erlebe sofort wieder dieses Treiben. Etwas weniger hektisch als unter der Woche, aber es ist da. Viele Menschen laufen kreuz und quer. Manche gestresst, weil sie wohl ne Bahn bekommen müssen, andere tiefenentspannt, weil sie wohl nichts
Wichtiges vorhaben. Zu letzterer Kategorie zähle ich heute. Ich will einfach nur ein bisschen durch die Stadt schlendern und Dinge wahrnehmen, die ich zwar auch vorher schon hunderte Mal gesehen, aber nicht bewusst erlebt habe. Mein Weg führt mich vom Hbf über die Kaiserstr.
zum Taunusturm. Sieht ja bei schönem Wetter an einem Sonntag ganz hübsch aus, wenn man nicht zum Arbeiten rein muss. Am Kornmarkt und auf dem Goetheplatz schaue ich mir die Denkmäler von Gutenberg und Goethe an und lese auch endlich mal die dazugehörige Beschreibung.
Von dort zur Paulskirche, die ich ebenfalls das erste Mal bewusst betrete. Kann mich nicht erinnern, ob ich jemals vorher drin war. Ab zum Römer, wo ich mich endgültig als Tourist fühle. Ich zücke ebenso wie viele andere Menschen auch das Handy und mache Fotos.
Die Fotos kommen dann übrigens auch noch. Ich betrete die neue Altstadt und muss sagen, sie gefällt mir. Natürlich sieht man, dass alles neu ist. Ich mag es trotzdem. An der Schirn vorbei zum Dom. Eigentlich wollte ich nur ein Foto davon machen. Aber dazu später mehr.
Vom Dom kurz auf den Eisernen Steg. Wieder viele Menschen aller Couleur. Sie diskutieren, lachen, küssen sich, halten sich in den Armen, laufen einfach nur nebeneinander. Jeder, wie er oder sie gerade mag. Es ist einfach schön hier. Friedlich.
Ich mache mich auf den Weg Richtung Bornheim zu Wacker's Kaffee. Dabei komme ich am Eschenheimer Tor vorbei, laufe einen Teil durch den Anlagenring, streife das Nordend und halte letztlich meine Belohnung in den Händen. Einen Espresso, der einfach himmlisch schmeckt.
Ich mache mich auf den Heimweg und überlege bereits, ob ich den nun folgenden Teil meines Erlebnisses im Dom überhaupt mit euch teilen möchte. Ich empfinde ihn als sehr intim. Aber gerade weil die Themen Hass, Gewalt, Terror und Rassismus aktuell wieder so präsent sind,
habe ich mich dafür entschieden.
Kirchen üben eine gewisse Faszination auf mich aus. Ich kann nicht mal richtig erklären warum, oder was es ist. Ich habe mit der Kirche als Institution nichts am Hut, mag aber die Gebäude sehr. Ich finde, sie strahlen eine gewisse Ruhe aus.
Statt also nur ein Foto zu machen, entschließe ich mich, reinzugehen. Bereits im Eingangsbereich stehen die vielen Kerzen, die man in Gedenken an jemanden anzündet. Sofort schießt mir das Bild meines damals dreijährigen Sohnes in den Kopf, der eine Kerze für meine verstorbene
Mutter anzündete. Ich bin angefasst und kämpfe bereits mit den ersten Tränen. Mein Kopf fängt an zu arbeiten. Ein Gedanke nach dem nächsten schießt mir durch den Kopf. An "den Dom von innen angucken" ist jetzt nicht mehr zu denken. Ich suche mir ein einigermaßen ruhiges
Plätzchen in einer der Bänke und setze mich. Ich denke an meine Mutter, die vor 8 Jahren an Krebs starb. Mein Opa, der uns ein Jahr zuvor verließ und meine Oma, die schon vor 27 Jahren von uns ging. All das ist lange her. Und doch kommt gerade alles in mir hoch.
Ich vermisse sie. Dazu meine zerbrochene Ehe, meine Jungs, die ich nicht mehr jeden Tag sehen kann. Das macht mich am meisten fertig. Meine Tränen brechen sich Bahn, und ich bin froh, dass ich ein paar Taschentücher dabei habe. Seit Minuten nach vorne gebeugt, den Kopf gesenkt
und auf den Boden blickend, versuche ich, meine Fassung wiederzuerlangen. In diesem Moment merke ich, dass sich jemand zu mir auf die Bank setzt. Ich blicke weiterhin nach unten. Muss ja nicht unbedingt jeder meine verheulten Augen sehen. Unnötigerweise rutscht diese Person
ziemlich dicht an mich ran, und ich denke noch: muss das sein? In einem Moment, in dem mir wahrlich nicht nach Gesellschaft oder Kommunikation zumute ist, ist da jemand, der sich mir fast auf den Schoß setzt. Ernsthaft!? Plötzlich spüre ich einen Arm um meine Schultern.
Perplex und völlig überrascht blicke ich hoch und in das Gesicht einer älteren Dame. Dieses Gesicht ist so liebevoll und freundlich. Sie drückt mich und sagt (mit einem Akzent, den ich nicht zuordnen kann): "Alles wird gut!" Lächelt, steht auf und geht. Immer noch völlig
überfordert von meinen Emotionen und der Situation stammle ich gerade noch ein "Danke" hinter ihr her. Sie dreht sich nochmal um, lächelt immer noch und geht weiter.

Ich sage jetzt nicht solche Dinge wie: Ich glaube wieder an Gott und die Kirche. Oder: diese Begegnung hat mein
Leben verändert. Aber eines zeigt es mir sehr deutlich: Es gibt durchaus ein friedliches Miteinander, wenn man es nur will! Was bewegt eine Frau, einen wildfremden Mann in den Arm zu nehmen und zu trösten? Diese Liebe, dieses Mitgefühl, diese Wärme, die sie in diesen wenigen
Augenblicken ausgestrahlt hat, haben mich völlig überwältigt.
Im kirchlichen Kontext wird von Nächstenliebe gesprochen. Das sollten wir uns alle etwas mehr zu Herzen nehmen. Passt auf euch und eure Mitmenschen auf. Dann wird vielleicht auch wieder manches gut.
Ach, ich hatte euch ja noch Fotos versprochen. Hier sind sie. Erwartet aber bitte keine künstlerischen Meisterwerke. Sind unbearbeitete Handyfotos.... 😉

Ich liebe die Mischung aus historisch und modern auf teilweise engstem Raum. 😍
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