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Ein Beitrag im Tagesspiegel zeigt klar was falsch läuft mit der Wissenschaftskommunikation in Deutschland während (und vor der) Corona-Pandemie. Beginnen wir mit einem Zitat zur "Letalität" von Covid-19. 1/
"Gemessen an der Letalität, also der Anzahl der Fälle, die zum Tode führen, liegt sie etwas über der Influenza-Grippe: In Deutschland sterben nach aktuellen Trends zirka 0,3 bis 0,4 Prozent aller infizierten Patienten." tagesspiegel.de/politik/epidem… Diese Angaben sind problematisch 2/
Wir müssen wegen der sehr präzisen Daten Südkoreas annehmen, dass im best-case 1,48% aller Covid-19 Patienten sterben werden statista.com/statistics/109… Warum best-case? Weil es in Südkorea niemals zu einer Überlastung des Krankenhäuser kam und volle Versorgung sichergestellt war. 3/
Südkoreas globale Fallsterberate liegt zwar noch nicht altersgruppenbereinigt vor, ist aber trotzdem schon ziemlich aussagekräftig, da es wegen umfangreicher Tests nur eine marginale Dunkelziffer in Südkorea gibt. Nochmals: CFR ist 1,48%. 4/
Wie kann dann der Direktor des Instituts für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der Berliner Charité, von dem wir annehmem sollten es verfüge über ordentliche Forschungskapazitäten, genügend Expertise und Personal .../5
...solide Datensätze aus anderen Ländern vernachlässigen, um zu suggerieren, die Sterblichkeit bei Covid-19 liege "etwas über der Influenza-Grippe"? Woher kommt die Annahme, gegen die durchgehende statistische Evidenz anderer Länder, dass es in Deutschland anders kommen würde? 6/
Der Direktor des Instituts für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie scheint somit empirische Daten, die bereits vorliegen, zu irgnorieren. Er zieht offenbar keinerlei Vergleichsdaten heran für seine Aussage.7/
Daher kann man auch als Nicht-Epidemiologe zu dem Schluss kommen, dass diese Aussagen und Suggestionen zur "Letalität" wissenschaftlich unfundiert, statistisch sehr wahrscheinlich falsch, und in Kontext der öffentlichen Kommunkation zu Covid-19 fahrlässiger Unsinn sind. 8/
Die Studie des Imperial College rechnet mit unteschiedlichen Mortaliätsraten je nach Altersgruppe. imperial.ac.uk/media/imperial… Sie zeigt im Einklang mit den Studien aus China, sodass eine enorme tödliche Gefahr nicht nur für ältere Menschen besteht. 9/
Allein schon deshalb ist der Vergleich mit der Grippe ein krasser Fall von Verharmlosung. Eben diese Art von Verharmlosung und Ignoranz gegenüber empirischen Daten und Fakten hat die Gesundheitssysteme westlicher Staaten völlig unvorbereitet gelassen thelancet.com/journals/lance… 10/
Deutschland ist da keine Ausnahme. Es gibt Kliniken, die ihre Mitarbeiter ohne Masken arbeiten lassen (müssen?); und ohne unausreichendes Schutzmaterial. Arztpraxen werden gezwungen, Tests durchzuführen ohne nötige Vorbereitung, Sicherheitsstandards und frei improvisiert. 11/
Offenbar werden alle Fehler, die in Wuhan gemacht wurden und weitere bei uns wiederholt. Kaum eine deutsche Klinik hat auch nur annähernd die gleichen #Covid_19 Sicherheitsmaßnahmen- und Protokolle und Schutzmaterial wie sie jetzt in China Standard sind. 12/
Die Masseninffektionen in Europa beim Krankenhauspersonal zeigt die Folgen dieses Versagens bei der Vorbereitung und Austattung des medizischen Personals nytimes.com/2020/03/24/wor… 13/
China hat seine gesamten Protokolle und Maßnahmen des Infektionsschutzes, der Behandlung, der Medikamentierung, der Isolierung etc. publiziert und auf Englisch übersetzt. drive.google.com/drive/folders/… Sind die Europäer zu arrogant, sich zu informieren und ggf Lösungen abzukupfern? 14/
Wie konnte es zu diesem Versagen kommen? Es gibt viele Gründe. Journalisten bohren nicht genug nach--etwa mit dem Hinweis auf die (naive) Fallsterberate in Italien und Spanien, oder die sauber berechnete CFR des Kreuzfahrschiffes in Japan (1,1) nature.com/articles/d4158… 15/
Die deutschen Zeitungen müssen auch die Frage beantworten, warum es keine ausführlichen Interviews auf Seite eins gab, mit den einzigen Deutschen Epidemiologen (Mitarbeiter des RKI), der in der #WHO Mission in China war. Der vertritt seit Wochen eine deutlich andere Sicht 16/
Außerdem müssten Virologen längst im Team mit Daten-Analysten, Sozialwissenschaftlern und Regionalwissenschaftlern arbeiten, um die Gefahr der Nachlässigkeit bei den für ihr eigenes Fachgebiet relevanten Roh- und Kerndaten überwinden zu können. 17/
Worin liegt der tiefere Grund für die Katastrophe in Europa und Nordamerika? Es braucht eine systematische Aufarbeitung und entsprechende Reformen. Das passiert nicht auf Twitter. Daher hier nur einige Gedanken dazu... 18/
Es dürfte es an der mangelhaften Wissenschaftskultur liegen, die es verpasst entscheidende Informationen und datensätze tagesaktuell in die Abschätzung der sich laufend verändernden Lage in die Forschung, Studien und politischen Entscheidungsprozesse einzubringen. /19
Die Zersplitterung der Disziplinen verhinderte, dass sich etwa Virologen mit den Sinologen zusammensatzen, um sich über die Daten und Beobachtungen auszutauschen. 20/
Teile der Wissenschaftslandschaft in ihrer heutigen Verfassung und Institutionalisierungsform müssen überdacht und umstrukturiert werden. Die Unfähigkeit mit der exponentiellen Dynamik einer Pandemie muss beseitigt werden. 21/
Andererseits liegt die Verantwortung auch bei den Medien, die einzelnen "Chef-Erklärern" eine Dauerbühne bereiten, anstatt die unnütze Personalisierung und Engführung der Wissenschaftskommunikation zu unterbinden. 22/
Die Komplexität der Pandemie, ihrer Entfaltung, die ungleichzeitige globale und regionale Ausbreitung, die sozialen und epidemiologischen Verzögerungsfaktoren, die komplizierte Datenlage diverser Länder etc. kann nicht von Virologie und Epidemiologie alleine analysiert werden 23/
Das alles geht nur interdisziplinär; diese Qualität muss sich auch in den Medien wiederspiegeln. Dies scheint eine der wichtigsten Schlussfolgerungen aus der momentanen Krise zu sein. Das Zusammenspiel von Journalisten und Wissenschaftlern muss von Grund auf erneuert werden. 24/
Um seine Glaubwürdigkeit zu bewahren, braucht auch das RKI eine grundlegende Strukturreform. Wenn das #Conoravirus in Deutschland wieder unter Kontrolle ist, sollte über all diese Fragen sowie unterschiedliche Lösungsansatze nachgedacht werden. Selbstkritik ist notwendig 25/
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