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Da es im Zuge der Debatte #Rassismus auch oft um Schule ging & im #twlz, aber sehr häufig auch bei Nicht-#Lehrer*innen falsche Vorstellungen zum Thema "nicht-deutsche #Sprachen zulassen" vorherrschen, habe ich mal die wichtigsten wissenschaftl. Erkenntnisse zus.gefasst ⬇️ #Thread
Da ich mich aufs Staatsexamen im Fach "Deutsch als Zweitsprache" (ja, das gibt es) vorbereite, habe ich wirklich JEDE relevante Literatur da. Auf dem Bild ist alles zu sehen, was ich als gedruckte Bücher da habe, dazu kommen E-Books & gedruckte Texte. Ich weiß, wovon ich schreibe
Kurze Grundlage: Unter Zweitspracherwerb versteht man den Erwerb einer weiteren Sprache neben der Erstsprache(=Muttersprache) ab dem 4. Lebensjahr. Man befindet sich - im Gegensatz zum Fremdspracherwerb - IM Land der Zweitsprache. Das gilt für Kinder, Jgdl., Erwachsene.
Ich gehe hier v.a. auf den Zweitspracherwerb von Kindern ein, etwas auch auf Jgdl. Dabei können die Kinder ab der Kita Deutsch lernen (& Zuhause eine andere Sprache sprechen) oder als Seitensteiger (als Migrant*innen) in die Schule kommen (also selbst eingewandert sind).
1. Mythos: "Eltern sollten mit ihren Kindern möglichst Deutsch (also ihre Zweitsprache) sprechen".

Nein (s.u. grün markiert; vgl. Jeuk 2013/2018), denn:
(1) hier können sie keine Sprachvorbilder sein (im Sinne von sprachl. Korrektheit)
(2) s. nächster Tweet

#Rassismus #twlz Bild zeigt Foto von Text. Grün markiert: "Dabei ist es
(2) im Gegenteil: Gute Erstprachkenntnisse (Muttersprache) wirken sich positiv auf das Erlernen einer neuen Sprache aus.

Hierfür sprechen Studien, die erstmal merkwürdig klingen: Kinder/Jgdl, die selbst migriert sind, NACHDEM sie einige Jahre in ihrem Herkunftsland zur -->
Schule gegangen sind, erreichen im Schnitt bessere schulische Leistungen (auch sprachl.) als Kinder, die von Geburt an im Zweitsprachland sind und in der Kita schon Kontakt mit der Zweitsprache hatten (zB bei Skutnabb-Kangas & Toukomaa 1976). Ein weiter fortgeschrittener -->
--> Erstspracherwerb hilft also, eine Zweitsprache besser zu lernen. Dies ist für Twitter verkürzt, v.a. helfen bildungssprachliche Erstsprachkompetenzen. Aber es hilft, wenn Eltern helfen, erstsprachliche Kompetenzen bei ihren Kindern auszubauen, zB durch Vorlesen in 1.Sprache
2. Mythos: "Sprachmischungen darf man nicht zulassen."

Falsch, denn

(1) wie Studien (zB De Houwer 1994) zeigen, geschehen diese eher selten & wenn, dann handelt es sich meist nur um einzelne Nomen, während zB Syntax (Satzstellung) oder Grammatik weniger vermischt werden

-->
und (2) wissen Kinder ab 3 J. meist gut, welche Sprachen das Gegenüber versteht & spricht (und ob sie ihm Sprachmischungen zumuten können)
3. Mythos: "Fehler müssen immer korrigiert werden, sind immer Anzeichen für sprachliche Schwäche"

Nach der Interlanguage-Hypothese (vgl. Jeuk 2018, Ahrenholz 2017, Boysen 2013 uvm.) stellen Fehler wichtige Zwischenschritte beim Zweitspracherwerb dar. Bis die Zweitsprache -->
--> gut erworben ist, befinden sich Lerner*innen in einer Art "Zwischensprache"(also Interlanguage). Wird zB "gesingt" gesagt, zeigt das, dass das Kind/der Jgdl. die regelmäßige Bildung vom Partizip Perfekt beherrscht! Wie bei kl. Kindern ist das ein wichtiger Zwischenschritt -->
Statt "Falsch!" zu rufen, kann man zB mit dem korrektiven Feedback ("Ah, deine Mama hat gestern gesungen!") antworten oder - ja, auch das geht mündlich - das erst einmal akzeptieren & das stattdessen später im Lernprozess oder in einer expliziten Förderung besprechen.
4. Mythos, der sowohl gesellschaftlich als auch im #twitterlehrerzimmer immer wieder vertreten wird: "In der #Schule sprechen wir nur #Deutsch, die kindlichen Muttersprachen nicht zulassen, #Kinder mit gleicher #Muttersprache sollen trotzdem auf Deutsch reden."

Falsch, denn: ⬇️
(1) Leidet so Sprachprestige (Ansehen) der Minderheitensprache, somit kommt es dazu, dass Kinder inferiorisiert, also herabgesetzt werden. Das gilt auch, wenn bspw. Rassismen in Schulbüchern nicht benannt & kritisiert werden (vgl. Belke 2019; Dirim, Eder, Springsits 2010) -->
--> wer sich sozial herabgesetzt fühlt, dem fehlen kognitive Fähigkeiten zum Sprachenlernen uvm. Explizite Sprachverbote erreichen also nur, dass Kinder der Minderheitensprache sich herabgesetzt fühlen. D.h. nicht, dass man keine Regeln für Sprachen vereinbaren kann, später mehr
(2) Es kann sogar hilfreich sein, die Zweitsprache zuzulassen oder im #Unterricht zu nutzen! #twlz
Kinder mit gleicher Erstsprache sind v.a. zu Beginn des Zweitspracherwerbs nicht in der Lage, kognitiv auf Deutsch in der gleichen Komplexität zu denken wie in ihrer Erstsprache -->
--> d.h. in einer Gruppenarbeit kann es hin & wieder lohnen, wenn sich Kinder mit der gleichen Erstsprache auch in dieser oder mit Sprachmischungen austauschen dürfen.

ABER: Bitte nicht immer solche Gruppen, denn auch der Austausch auf Deutsch ist gut (vgl. Hölscher 2007). -->
--> Außerdem weiß vllt ein türkischsprachigem Kind ein Wort auf Deutsch, dass dem anderen nur auf Türkisch einfällt.

Gerade für Seiteneinsteiger (Zugewanderte) ist es hilfreich, wenn zB ein in D mit der gleichen Muttersprache aufgewachsenes Kind als Übersetzer hilft -->
--> Auch das übersetzende Kind profitiert davon, denn:

(3) Sprachvergleiche helfen Kindern mit Deutsch als Mutter- & Zweitsprache! Wie das? Über die Betrachtung eines bedeutungsgleichen türkischen und deutschen Satz bspw. fällt auf, dass das Türkische keine Artikel kennt -->
--> oder die Verbstellung anders ist. Das schafft Sprachbewusstsein (Language Awareness, hilfreich für Grammatikverständnis) für ALLE Kinder, dabei können auch Kinder mit Deutsch als Zweitsprache mal Sprachenexperten sein. (vgl. z.B. Belke 2019, Jeuk 2018, Luchtenberg 2017)
Fazit: Wie kann man also nicht-deutsche Erstsprachen sinnvoll zulassen? zB so ⬇️⬇️ (aus Belke 2019: Mehr Sprache(n) für alle) Zusammenfassung des Textinhalts im nächsten Tweet
Also: Bei zB Begrüßung, Verabschiedung, Geburtstagslied uÄ können alle Kinder andere Sprache nutzen/sich gegenseitig beibringen. Gruppenarbeit: Nutzung anderer Sprache, wenn ALLE Kinder diese sprechen. Einzelwörter, auch Nachsehen, immer ok. Language Awareness: Sprachvgl. (s.o.)
Auch auf dem Pausenhof sollte unterschieden werden: Sind Kinder gerade dabei, die die Sprache nicht verstehen? Wenn ja: Freundlich darauf hinweisen, ermuntern, zB türkische Wörter auf Deutsch zu erklären. Aber für die Verarbeitung & kognitive Entwicklung können muttersprachl. -->
--> Gespräche helfen. Es ist erst bedenklich (für die Kinder selbst, nicht die anderen), wenn Kinder sich gar nicht in deutsche Gespräche trauen. Das heißt nicht, dass sie reden müssen (denn eine gewisse "silent period" ist normal) -->
--> Es ist für den Spracherwerb aber hilfreich, regelmäßig mit deutschsprachigen Kindern zu tun zu haben. Hier hilft: Freundschaften knüpfen, Sitznachbarn auch mal wechseln & Eltern Kontakte von nicht- & deutschsprachigen Kindern, die sich mögen, geben.
Außerdem: Eine wohlwollender, gut aufgebaute Sprachförderung IM Regelunterricht (ja, das heißt, es betrifft jede Lehrkraft & dafür sollte eigentlich Mal mehr Vorbereitungszeit her) und als Förderkurs. Mehrsprachigkeit sollte da immer wertgeschätzt werden.
Denn: WIE KRASS ist es bitte, wie viele Kinder so jung so gut zwei Sprachen sprechen? Der Hammer!

Auch als Gesellschaft haben wir eine Verantwortung, damit sich Kinder & Eltern mit nicht-deutscher Erstsprache wohl fühlen &die emotionalen Bedingungen für den Deutscherwerb passen Text: didaktische Konsequenz für den Unterricht in mehrspraText: Zusammenarbeit mit Eltern kann nur gelingen, wenn die
Zuletzt: Das ist ein Mini-Ausschnitt von dem, was ich fürs Staatsexamen lerne. Insgesamt habe ich ordnerweise Inhalte, die ich sowohl auswendig lernen als auch in neuen Zusammenhängen darstellen, einordnen, kritisieren, diskutieren muss. #Lehrer*innen werden unglaublich -->
--> fundiert ausgebildet, sowohl fachlich als auch didaktisch & pädagogisch. Ich habe Respekt vor allen, die das hinter sich haben. Und tatsächlich lernte man früher noch, andere Sprachen nicht zuzulassen. Lehrerbashing hier drunter also bitte unterlassen ✌️
Nach diesem wertvollen Hinweis:

Nicht selten wird man in der Zweitsprache besser als in Erstsprache, als Mutter*/Vater* kann&soll man sprechen, wie es sich am besten anfühlt!

Außerdem: Es gibt viele 2.Sprach-Kinder, die keine sprachl. Schwierigk. haben!
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