Je nach Quelle kann man zurzeit von irgendwas um 45 Milliarden € Investitionsstau an deutschen Schulen ausgehen:
Marode und viel zu kleine Gebäude, defekte Geräte, unappetitliche Sanitäranlagen.
Ca. 45.000.000.000 € fehlen für Mindeststandards. 2/20
Dafür sind die Schulträger / Kommunen zuständig, die oft selbst jeden Cent dreimal umdrehen.
Hilfe vom Bund ist juristisch heikel – Föderalismus, nicht eingreifen blabla.
Erster Befund also:
Mit intakten oder gar schönen Lernumgebungen rechnet kurzfristig niemand. 3/20
II. POLITIK
Eine Ebene höher konkurrieren in Deutschland 16 verschiedene Schulsysteme, von denen jedes versucht das Chaos allein zu bezwingen.
Während der Pandemie sieht man es überdeutlich:
Gemeinsame Standards?
Professionelle Vernetzung?
Eine Linie?
Never! 🙅🏽♀️ 4/20
Die wirklich wichtigen Entscheidungen treffen die Kultusminister:innen –
also aktuell 7 Jurist:innen, 2 Damen aus der Immobilienbranche, Politolog:innen, Volkswirt:innen, ein Diplom-Ingenieur für Betontechnik und tatsächlich 2 (!) Lehrer:innen 😐 5/20
Die #KMK bringt also kaum eigene Expertise zur Gestaltung einer zukunftsfähigen Bildungslandschaft oder schulische Praxiserfahrung mit.
Die Bildungsminister:innen haben in 🇩🇪 außerdem traditionell ein lächerliches Budget um überhaupt irgendwas zu tun. 6/20
Deutsche Schulen sind (auch im internationalen Vergleich) unzumutbar ungerecht.
Die Schulabschlüsse von Kindern sind in 🇩🇪 fast kausal mit dem 💰💰💰Kontostand der Eltern verknüpft.
Der Markt regelt! 7/20
(„Aber ICH komme ja auch aus einer Arbeiterfamilie und habe Abitur…!!11“
„Survivorship Bias“ – wir alle kennen Erfolgsgeschichten.
Die tausendfach höhere Zahl an Menschen, die weit unter ihren Möglichkeiten bleiben, ist gesellschaftlich unsichtbar.
Verzerrte Wahrnehmung) 8/20
Warum ist das politisch?
Weil Schulen aktuell gerade die Schwächsten abhängen.
Nachhilfe? – nicht staatlich vorgesehen, sondern ein teures Geschäft
Kein ruhiges Zimmer für #Hausaufgaben? – Eigenverantwortung! 🤗
Das System ist auf Klassenerhalt💰 ausgerichtet. 9/20
IV. LEHRER:INNEN
Deshalb bin ich als Lehrer in diesem System äußerst skeptisch, wenn mir bunte #Instagram-Bildchen versprechen, mit einer fancy App hier, einem Zoom-Talk dort und etwas achtsamer Meditations-Routine 🧘🏻🧘🏾♀️ bekämen wir den Karren schon aus dem Dreck… 🤨 10/20
Seit 30 Jahren werden Lehrer:innen mit immer mehr Aufgaben überhäuft.
Absurde Bürokratie in x-facher Buchhaltung, Kümmern um Schüler:innen, die durchs Netz fallen, Elternarbeit, Projekte & Baustellen überall…
Der Unterricht verkommt phasenweise zur Nebenbeschäftigung 🤷🏼♂️ 11/20
Wenn Lehrer:innen dauerhaft 50-, 60-, 70-Stunden-Wochen leisten, überraschen die Burn Out-Quoten oder lustlose Unterrichtsstunden kaum.
Und da geht es nur darum, das marode System über den Alltag zu retten.
🕒 Zeit für Weiterentwicklung oder -bildung sehe ich da nicht. 12/20
Und man muss ehrlich sein:
Unter uns Lehrer:innen gibt es nicht nur innovative, flexible Gestalter:innen.
Selbst wenn die Zeit da wäre, wollte sich Ute gar nicht von ihren 80er-Fibeln umgewöhnen und Heinz wollte eh nur Beamter werden.
Die Nasen gibt es in jeder Schule🤷🏼♂️ 13/20
V. GESELLSCHAFT
Wie hochgradig fragil und dysfunktional dieser zusammengeschusterte Trümmerhaufen ist, hat die Öffentlichkeit während der Pandemie erlebt (Brennglas-Metapher hier einfügen).
Dabei hat früher oder später ja jede:r mit der Schule zu tun.
Warum passiert nix? 14/20
Die verzerrte Berichterstattung vieler (nicht aller) Medien hat gezeigt, dass ein Großteil der Gesellschaft Schule als System nicht durchblickt.
Die Erwartung vieler Eltern ist, dass ihre eigene (in der Rückschau positive) Schulzeit für ihre Kinder nachgestellt wird. 15/20
Innovationen – digitale Geräte („daddeln!!!1“), #Inklusion, demokratisch organisierter, offener Unterricht („Machen, was sie wollen!!!1“) usw. sind schwer zu vermitteln.
Im Prinzip soll Goethes „Werther“ gelesen und Dreisatz geübt werden.
Uns hat es ja nicht geschadet… 16/20
VI. FAZIT
Ist der ganze Bumms noch zu retten? 🤔
Kurzfristig garantiert nicht, da zu viele Player am Tisch sitzen.
Wir sehen außerdem in der Pandemie, dass die Politik v.a. an wirtschaftsverträglicher „weiter so!“-Kinderbetreuung interessiert ist.
Da kommt nix 😒 17/20
Ich will einzelnen Schulen, die mit einem Mordsaufwand mitunter grandiose Konzepte entwickeln, nicht die Motivation nehmen.
Realistisch ist aber:
Die flächendeckende Umsetzung solcher (offeneren, digitalen…) Konzepte scheitert an Elternerwartungen, Politik und 💰Geld. 18/20
Wirkliche Veränderung, die Lehrer:innen und Schulleitungen Zeit und Muße für Weiterentwicklung verschafft, Schüler:innen mehr beteiligt und bauliche und hygienische Mindeststandards der Schulgebäude sichert, wäre ein gesamtgesellschaftliches Projekt – im Interesse aller. 19/20
Diese Zusammenarbeit von Schulleitungen, Eltern, Schüler:innen, Lehrer:innen und Politik existiert mitunter regional.
Das große Gemeinschaftsprojekt sehe ich nicht.
Bis es das gibt, verwalten Jurist:innen und Makler:innen leider nur einen (ungerechten) Status Quo 🤷🏼♂️ 20/20
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Bei der Recherche für unseren #Laberfach-#Podcast🎧 (open.spotify.com/show/0G3o7TI59…) bin ich oft fasziniert, dass man für sehr (!) komplexe, (zB historisch) voraussetzungsreiche Literatur S:uS-Materialien für Klasse 7/8 findet.
Mit „fasziniert“ meine ich „arg misstrauisch“ 🤨 2/15
Natürlich schaue ich dann immer in die Lehrer-Heftchen.
Was mache ich falsch, dass offenbar nur meine 8er keine feuilletonfähigen Essays über zynische Regieanweisungen in Jelinek‘schen Dramen abfassen…? 🤔
Die Nebenausstellung „Grammatik“ direkt am Eingang ignorieren wir heute (wie die meisten Besucher).
Die staubigen Exponate (ellenlange Tafelanschriebe, gestelzte Lückentexte aus 3 Jahrhunderten…) sind eher etwas für Liebhaber. Der Bereich wird aber bereits renoviert. 2/10
Die Hauptausstellung „Literatur“ wird am stärksten frequentiert.
Auf meterhohen Podesten stehen monolithisch die leicht vergilbten Prunkstücke des Hauses – Goethe, Fontane, Heine, Kleist.
Ein Konzept scheint die Anordnung nicht zu haben. Insgesamt ist der Raum recht eng. 3/10
Hans-Jürgen Pandel (Geschichtslehrer-Papst) nennt so den aktuellen Geschichtsunterricht mit absurd vollgestopften Lehrplänen bei minimalem Stundenumfang:
Es wird halt alles mal erwähnt.
Für Zusammenhänge fehlt oft die Zeit. #TWLZ
Das Fach Geschichte ist das Parade-Beispiel für überfrachtete Lehrpläne.
Natürlich darf man die nicht verschlanken – immer schon so gemacht und alles sehr wichtig und Kulturverlust bla!!!1117 – aber in einem zweistündigen Nebenfach kann man dann eben jedes Thema nur anreißen. 🤷🏼♂️
Beispiel: NRW, Gymnasium, Klasse 6:
In 90 Minuten pro Woche hangeln sich 12-jährige von der Ursuppe über das aussterbende Mammut zu den Griechen zu den Römern über den großen Karl in den Investiturstreit.
Das verläuft natürlich sehr detailliert und nachhaltig.
Ich, Lehrer an einer weiterführenden Schule, fürs Impfen bisher nicht vorgesehen, soll ab kommender Woche danebensitzen, wenn Schüler:innen ihre Masken abziehen, um sich mit Schnelltests im Gesicht herumzustochern?! #TWLZ
... mit meiner ganzen medizinischen Expertise, wie man sie im Germanistik- und Geschichtsstudium halt erwirbt...? 😶
Aber hey – dann habe ich wenigstens mal einen Schnelltest aus der Nähe gesehen.
Die Tests in der Schule sind ja für die Schüler:innen.
Wir Lehrer:innen bekommen nur einen, wenn wir privat zum Hausarzt gurken 🤗 #TWLZ#NRW