My Authors
Read all threads
„Wir haben die Mittel, um den Anstieg der Ungleichheit umzukehren“ – bemerkenswerte Reflexionen von @rodrikdani und @ojblanchard1 zu einem neuen Konsens in der internationalen verteilungspolitischen Debatte (Thread) 👇 (Es schreibt: @julian_bank)
Im Oktober organisierten die beiden Ökonomen eine Konferenz am @PIIE zur Frage, wie der wachsenden Ungleichheit beizukommen sei. (2/30)
Die Ergebnisse fassen sie in diesem lesenswerten Blogbeitrag (EN) zusammen: piie.com/commentary/spe… (3/30)
Bemerkenswert insbesondere: Olivier Blanchard, ehemaliger Chefökonom des IWF und in der Vergangenheit eher mit wirtschaftsliberalen Positionen in Erscheinung getreten, dokumentiert diesen neuen Konsens mit. (4/30)
Im Folgenden eine Zusammenfassung nach @rodrikdani und @ojblanchard1: 1) Stilisierte Fakten zur Ungleichheit; 2) Ein neuer Konsens; 3) Dimensionen der Verteilungspolitik; 4) Normative und politökonomische Fundierung; 5) Graduelle Reformen vs Großprojekte (5/30)
(1) Als Auftakt der Konferenz: Ein empirischer Überblick über die „Verteilungslandschaft“ von @lucas_chancel Co-Direktor beim @WIL_inequality Zentrale Fakten u.a. (6/30)
(i) EK-Anteile der Spitzenverdiener*innen haben in USA und Westeuropa und in vielen anderen Ländern in vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen (7/30)
(ii) Obwohl Globalisierung und technologischer Wandel ähnlich: Anstieg der EK-Ungleichheit in USA deutlich steiler als in weiten Teilen Europas (8/30)
(iii) Zugleich: Sinkende Soziale Mobilität, insbesondere in den USA: statt 90% (1940er) hatten nur noch rund 50% höhere Einkommen als Eltern (9/30)
(iv) Zunahme der Einkommens- und Vermögensungleichheit geringer in Ländern mit progressiveren Steuersystemen, starken Arbeitsmarktinstitutionen (Gewerkschaften, Mindestlohngesetzgebung), breitem Zugang zu Bildungs- und Gesundheitsdienstleistungen und Transferleistungen. (10/30)
(v) Ungleichheit der Einkommen zwischen Männern und Frauen gesunken, aber weiterhin hoch, insbesondere bei den Spitzeneinkommen, zB hier in Frankreich, wo nur rund 10 Prozent Frauen unter den Top 0,1 Prozent Verdiener*innen sind 👇 (11/30)
Blanchard & Rodrik: Weitere Spaltungen entlang geographischer und kultureller Trennungslinien, insbesondere zwischen Kleinstädten/ländlichen Regionen/Vorstädten und metropolitanen Zonen mit entsprechenden Unterschieden in ökonomischen Chancen u kulturellen Orientierungen. (12/30)
(2) Ein neuer Konsens: Blanchard und Rodrik nehmen Konsens wahr, dass Ungleichheit eine wirtschaftspolitische Priorität darstellen sollte und zwar über Armutsreduktion hinaus. (13/30)
✅Die alte Ökonomenweisheit eines Zielkonflikts zwischen Effizienz und Gerechtigkeit nehmen sie als überholt wahr: Ungleichheit werde wenn eher als Wachstumshemmnis wahrgenommen. (14/30)
✅Auch die alte Leier von den heilenden Marktkräften durch Deregulierung von Arbeitsmärkten und Sozialkürzungen sei überholt: sie würden als Ursachen, nicht Lösungen für Verteilungsprobleme diskutiert. (15/30)
✅Ebenfalls passé: Die Frage, ob das Geld für die notwendigen Maßnahmen da sei. Ein Ausbau progressiver verteilungspolitischer Maßnahmen sei notwendig. (16/30)
(In diesem Zusammenhang sei vielmehr diskutiert worden, ob progressive Politik besser auf der Einnahme- [etwa durch Vermögensteuern oder progressivere Einkommensteuern] oder auf der Ausgabenseite verstärkt werden sollte, oder durch eine Mischung.) (17/30)
(3) Dimensionen der Verteilungspolitik (VP): VP insgesamt als Querschnittsthema, mit einem Reichtum an möglichen Maßnahmen. Rodrik und Blanchard unterscheiden hier entlang eines hilfreichen Schemas, in zwei Dimensionen: (18/30)
(i) Wo setzt VP bezüglich der Produktion in der Wirtschaft an? VOR Produktion (zB Bildung, Gesundheit), BEI der Produktion (zB Regulierung von Arbeitsmarktinstitutionen, Industriepolitik) oder NACH der Produktion (Steuerpolitik, Sozialtransfers)? und, zweitens: (19/30)
(ii) Wo setzt VP in der Verteilung an? Oben, Mitte oder unten? Aus beiden Dimensionen ergibt sich dieses 3⃣x3⃣-Schema der Verteilungspolitik (via piie.com/commentary/spe…): (20/30)
(4) Wichtig: Ohne normative und politökonomische Fundierung verteilungspolitischer Maßnahmen geht es nicht. (21/30)
Normativ sei etwa entscheidend, ob Ungleichheit intrinsisch abzulehnen sei oder aufgrund schädlicher Auswirkungen in anderen Bereichen, z.B. bezüglich politischer Gleichheit. Davon hänge auch ab, ob man sich etwa um Armut allein kümmern solle oder auch um große Vermögen. (22/30)
Aus politökonomischer Perspektive wichtig: Maßnahmen und Strategien der Verteilungspolitik müssten auch pol Restriktionen berücksichtigen.➡️Was sei die „Theory of Change“? ➡️Welche gesellschaftlichen Koalitionen seien für erfolgreiche Reduktion der Ungleichheit notwendig? (23/30)
➡️Müssten auch politische Kräfteungleichgewichte gezielt und direkt angegangen werden, wenn nicht nur ökonomische Ungleichheit auf politische Ungleichheit wirke, sondern diese zugleich die ökonomische Ungleichheit verfestige? (24/30)
(Mögliche angesprochene Maßnahmen, um diese pol Kräfteverhältnisse zu verändern: Vermögenskonzentration durch Steuern begrenzen; Reformen der Corporate Governance und Maßnahmen zur Vermeidung von Marktmacht; Reformen im politischen System zB der Wahlkampffinanzierung) (25/30)
(5) Schließlich drehe sich eine weitere Diskussion um die Frage nach dem Verhältnis von Evidenzbasierung und der Experimentierfreudigkeit von Politik: Eher ein neuer Deal à la Roosevelt oder kleine, streng evidenzbasierte graduelle Politikmaßnahmen? (26/30)
Klar sei: je tiefer die Probleme lägen, desto radikaler die notwendigen Maßnahmen. Hier gehe es letztlich auch um einen Gesellschaftsvertrag 🤝, der ausgefranst werde und der nun zu flicken sei. (27/30)
Ökonomen sollten den Reichtum möglicher Reformen aufzeigen, statt die Rolle als Verhinderer und Neinsager zu spielen. (In @AchimTruger's Worten: Ökonomik nicht als Verhindungs-, sondern als Ermöglichungswissenschaft makronom.de/achim-truger-s… im @MakronomMagazin) (28/30)
Die ganze Konferenz ist hier per Video dokumentiert: piie.com/events/combati… und wird, wie oben erwähnt, hier schön von @ojblanchard1 und @rodrikdani zusammengefasst: piie.com/commentary/spe… (29/30)
Missing some Tweet in this thread? You can try to force a refresh.

Enjoying this thread?

Keep Current with Verteilungsfrage.org

Profile picture

Stay in touch and get notified when new unrolls are available from this author!

Read all threads

This Thread may be Removed Anytime!

Twitter may remove this content at anytime, convert it as a PDF, save and print for later use!

Try unrolling a thread yourself!

how to unroll video

1) Follow Thread Reader App on Twitter so you can easily mention us!

2) Go to a Twitter thread (series of Tweets by the same owner) and mention us with a keyword "unroll" @threadreaderapp unroll

You can practice here first or read more on our help page!

Follow Us on Twitter!

Did Thread Reader help you today?

Support us! We are indie developers!


This site is made by just three indie developers on a laptop doing marketing, support and development! Read more about the story.

Become a Premium Member ($3.00/month or $30.00/year) and get exclusive features!

Become Premium

Too expensive? Make a small donation by buying us coffee ($5) or help with server cost ($10)

Donate via Paypal Become our Patreon

Thank you for your support!