Thread by @pavel23

Zu den aktuellen Corona-Zahlen in Deutschland: Sie liegen unter meinen Vorhersagen vom 19.3., aber: Es stockt in der Test- und Meldekette. Laborkapazität war aber nicht das Problem, laut ALM lag in KW12 die Kapazität bei 58.000 Tests pro Tag und wurde nicht ausgeschöpft.

Diese Woche dürfte die Kapazität höher sein, 60-70.000 pro Tag schätze ich, aber da der Anteil positiver Tests um die 5% liegt, ergibt sich, dass pro Tag maximal 3.000-4.000 positive Tests möglich sind, 3300 waren es im Schnitt der letzten 5 Tage einschliesslich Freitag.

Das bedeutet, dass unsere Corona-Zahlen gerade bestenfalls die Kapazität der Labore messen und nicht den tatsächlichen Anstieg der Fälle abbilden können, so lange die Zahlen nicht deutlich sinken.

Schlimmer noch: Die Labore waren bisher gar nicht der Engpass, sondern die Übermittlung durch die Gesundheitsämter. Am Sonntag konnten nur 1948 Fälle übermittelt werden, gestern 4764, die Ausbeute aus ca. 95.000 Tests, vermutlich mehr, als wir an einem Tag testen konnten.

Die Anzahl der Tests ist beeindruckend im internationalen Vergleich. Ich komme auf 550.000, die in Deutschland bisher wohl gemacht wurden, 6.700 pro Mio. Einwohner. vermutlich gerade Weltspitze in beiden Werten, und doch reicht es im Moment nicht mehr.

Ein Blick nach Südkorea: So sehen die Berichte da aus, und das würde ich mir auch für Deutschland wünschen. Südkorea hat 52 Mio. Einwohner, und bisher 350.000 getestet, auch um die 6.700 pro Mio. Einwohner. Sie Testen aber "nur" 16.000 Fälle pro Tag, wir eher 4 mal so viel.

In den USA beträgt die Laborkapazität aktuell so um die 10.000 Tests pro Tag, was bedeutet, dass sie max. 800 Fälle am Tag laborbestätigen können, gemeldet wurden aber zuletzt 10411. Über 90% der Fälle da sind also nicht laborbestätigt, bei uns bisher 0%.

Beim RKI finden sich fünf verschiedene Falldefinition:
A) sieht aus wie Covid (Lungenentzündung, Atemprobleme oder tot)
B) A) und Patient hatte Kontakt mit Covid-Fall
C) A) und Labor sagt ja
D) Sieht nicht aus wie Covid aber Labor sagt ja
E) Labor sagt ja
rki.de/DE/Content/Inf…

Wir zählen offiziell nur C,D und E. Die USA dürften A)-E) zählen, und China hat auch A) und B) Fälle zu zählen begonnen, am 10.2., ca. 3-4 Tage, nachdem deren Testkapazität ausgeschöpft war, würde ich schätzen. Werden wir das auch machen?

Wir sind jetzt in der Situation, dass wir mit Abstand Weltspitze im Testen sind, aber dennoch im Blindflug, weil wir aktuell weder mit dem Testen, Zählen noch dem Melden hinterherkommen und abwarten müssen, bis die Neufallzahlen wieder unter die Test- und Meldekapazität fallen.

Alternativ könnten man beginnen, auch die A) und B)-Fälle zu zählen, und eine tägliche Erfassung und Veröffentlichung der Zahl der durchgeführten und in der Warteschlange befindlichen Tests und Personen könnte helfen, die Wirkung der Massnahmen früher und genauer zu sehen.

Ich werde jedenfalls noch ein paar Tage abwarten, bevor ich neue Hochrechnungen mache und meine Prognose vom 19.3. mit den gemeldeten Zahlen vergleiche; derzeit reflektieren sie eher die Kapazität unserer Test- und Meldekette, aber, wichtig, das war letzte Woche noch nicht so.

Derzeit wird es immer interessanter, die Zahl der Sterbefälle auszuwerten. Dafür braucht es aber drei Zahlen: Die Zeit von der Infektion bis zum Tod, die Zeit von der Infektion bis zum Eingang in die Statistik und die Sterberate. Dafür gibt es bisher nur Zahlen aus China.

Im ungünstigsten Fall reden wir von 19 Tagen von einer Infektion bis Zählung als Todesfall und 10 Tagen von Infektion bis Zählung, und dann kommen wir auf maximal 6 mal mehr Infizierte als erfasst, 17 und 12 Tage ergeben Faktor 2,5, jeweils als Obergrenze.

Experten gehen von derzeit von 50% aus, und ich höre privat ganz viele Zweifel, dass ja Corona viel verbreiteter ist und wir nur die Spitze des Eisbergs sehen, aber ich halte das mehr für Ausdruck der Hoffnung, man könnte es schon längst hinter sich haben.

Die Zahlen bestätigen das nicht. Im ungünstigsten Fall komme ich auf 6 x so viel echte Fälle, mit nach dem Stand der Wissenschaft wahrscheinlichen Parametern 17/10 oder 0,42% Sterbewahrscheinlichkeit auf Faktor 3,8 für den 7.3.2020. Nimmt man 0,8%, ist der Faktor 1,99 bzw. 51%.

Die Zahl der Verstorbenen steht in Deutschland noch am Anfang, aber es es deutet alles auf einen Faktor zwischen 2 und 4 hin, wobei 4 eine Obergrenze für den 7.3. ist, die bis heute auf um die 2 herum gesunken sein dürfte. Wissen werden wir das in drei Wochen.

Bis dahin, in 3 Wochen, sollten wir aber längst die Auswirkungen der Maßnahmen direkt im Rückgang des Zuwachses bei Infektionen und auch bei den Toten sehen; hoffentlich deutlich unter registrierte 1000 Neuinfektionen pro Tag, einige hundert, um in 5 Wochen einstellig zu werden.

Mit etwas Glück, wenn die Maßnahmen wie erhofft wirken, könnten wir sogar innerhalb einer Woche den Höhepunkt des Zuwachses in absoluten Zahlen erreicht haben. Wenn wir ihn in zwei Wochen noch nicht erreicht haben sollten, wird es echt unschön.

Die Sterbezahlen dürften aber erst rund eine Woche später sinken, so dass wir da den traurigen Höhepunkt erst in zwei Wochen erreichen - wenn es sich gut entwickelt. Italien ist gerade an dem Punkt angekommen; die Neuinfektionszahlen gehen zurück, die Toten langsam auch.

In den nächsten ein bis zwei Wochen aber werden wir bei uns noch fast täglich neue Rekorde bei Todesfällen aushalten müssen, allerdings könnten wir bei 100-200 am schlimmsten Tag bleiben, wenn es gut läuft, und unter 2000 insgesamt.

Das liefe aber im besten Fall noch immer auf mehrere Tausend Intensivpatienten und 8.000-20.000 in Krankenhäusern hinaus. Das scheint mit so ziemlich das Beste, was wir hinbekommen können, und es wäre ein Riesenerfolg. Die Kosten und Mühen hätten sich dann erst mal gelohnt.

Ok, die Zahlen zu den USA stimmen so nicht. Die offizielle Zahl von 10.000 war überholt; in der letzten Woche haben die USA massiv ausgebaut und testen wohl etwa so viel wie wir in absoluten Zahlen, 65.000 pro Tag, haben allerdings 4 x so viel Bevölkerung.

Es kommt auch noch hinzu, dass in vielen Gegenden extrem viele Tests positiv zurückkommen, so dass die 10411 Fälle doch alle laborbestätigt sein könnten, allerdings bei mindestens 16%(!) positiven Tests, was sehr ungewöhnlich ist.