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Doch nochmal zur #Umweltsau und dem Versagen der meisten Medien im Umgang damit. Zur Erinnerung: Der bislang einzige direkte Anhaltspunkt darauf, wie die Umdichtung des Liedes gemeint war, ist die von @uebermedien verlinkte Sendung vom 9. November: uebermedien.de/44946/eklatant…
Die Kollegen von @uebermedien haben die Sendung, "Satire Deluxe - Live beim Köln Comedy Festival" auch verlinkt. Zum Nachhören: ab 34:35 der Abschnitt über Klimagipfel und Greta Thunberg. Dort kommen auch die ersten Strophen des Liedes vor. Kontext: Die Satiriker malen sich
aus, dass es bald eine Fridays-for-Future-Klimasünder-Hotline geben würde, entsprechend Greta Thunbergs "we will not let you get away with this"-Rede. Die sei nämlich ein Aufruf "Kinder bespitzeln ihre Eltern", und in Zukunft würden Kinder ihre Eltern dann bei der erwähnten
Hotline melden, wo man "seine nächsten Verwandten dann denunzieren" kann. Das erwähnte Umweltsau-Lied kommt dann direkt im Anschluss, gesungen von einem der Kabarettisten, als Beispiel dafür, welche "Sprachnachrichten" auf solch einer Hotline landen würden.
Insofern: Ganz klar Satire. Ganz klar böse. Böse nämlich gegenüber denjenigen Jugendlichen, die bei @FridayForFuture mitdemonstrieren und sich jetzt als zukünftige Spitzel und Denunzianten dargestellt werden. Passend zum Narrativ vom drohenden "Ökofaschismus".
Das ist, soweit ich sehen kann, der *einzige* Kontext, den wir für das Lied haben. Im beanstandeten Video gab es soweit ich erinnere (es ist ja wohl immer nur vom Netz) nur eine kurze Anmoderation, dass der WDR-Kinderchor auch "frech" könne, und dann das Lied selbst.
In dem einzigen Kontext, den wir haben, ist das Lied gegen die Kinder gerichtet, die angeblich dann mit den erwähnten Worten (Umweltsau) etc. ihre nächsten Verwandten denunzieren würden. Sprich: Es ist genau das Gegenteil von der Interpretation, auf der die medial wirksamen
empörten Reaktionen beruhen. Da geht es immer darum, dass angeblich die Großmutter verunglimpft würde. Nein, wird sie in dem einzigen Kontext, den wir haben, nicht. Dort geht es gegen die Enkel, die angeblich auf diese Weise ihre Verwandten denunzieren würden.
Nach allem was wir wissen, haben alle diejenigen, die zum Stichwort #Umweltsau mit kräftigen Worten die Respektlosigkeit gegenüber den Alten bemängelt haben, eine *böse Karikatur* dazu benutzt, um auf jener überzeichneten Basis gegen die *Karikierten* zu wettern.
Das ist der erste Skandal. Ich zumindest habe bislang von niemandem öffentlich gehört, der sich jetzt, wo die Lage klarer ist, bei @FridayForFuture entschuldigt hätte. "Sorry, wir sind einer Karikatur eures Verhaltens aufgesessen, das ging wohl komplett daneben."
Was da passiert ist, ist genauso falsch, als würde jemand eine Titelseite der @titanic wörtlich nehmen und auf der Basis den Karikierten oder die Karikierte heftig angreifen. Wer das an sich selbst testen möchte: Einfach auf titanic-magazin.de/archive/heftar… dasjenige Titelbild
mit satirischen Falschbehauptungen heraussuchen, das einen selbst am meisten ärgert, und sich dann vorzustellen versuchen, wie es wäre, wenn der/die da karikierte ernsthaft und mit großer medialer Verbreitung aufgrund der Falschbehauptungen kritisiert würde.
Der zweite Skandal, aus meiner Sicht: Mit dem Bekanntwerden der ursprünglichen Sendung www1.wdr.de/radio/wdr5/sen…, wie gesagt derzeit soweit ich sehen kann dem einzigen belastbaren Kontext für die Entstehung des #Umweltsau-Liedes, den wir haben, verkehrt sich die
naheliegendste Interpretation wie gesagt komplett. Kein Angriff gegen die ältere Generation, sondern einer gegen die jüngere, gegen @FridayForFuture und diejenigen, die dort mitlaufen. Man könnte ja meinen, das sei bei einem aktuell öffentlich diskutierten Thema von Interesse.
Der @uebermedien -Artikel erschien am 3. Januar. Schauen wir doch einmal, welche Massenmedien die neue Schlüsselinformation schon aufgegriffen haben. Also, Google-Suche mit Datumseinschränkung.
Auf @zeitonline wird hier zeit.de/kultur/film/20… am 4. Januar sogar auf den Uebermedien-Artikel Bezug genommen. Allerdings nur auf den dort erwähnten offenen Brief der WDR-Redakteure an den Intendanten.
Es ist sogar Platz dafür da, die Entwicklungen noch einmal Revue passieren lassen. Was fehlt: Der Hinweis auf den neu entdeckten Kontext. Obwohl die Originalsendung im Uebermedien-Beitrag ja sogar verlinkt ist. Hallo? Wie kann man so eine wichtige Information denn weglassen?
Ein weiterer Zeitartikel, nämlich als Kommentar von @rezomusik, ist genau wie der Uebermedien-Artikel vom 3. Januar; insofern kannte der die neue #Umweltsau-Quelle vermutlich einfach noch nicht. Das ist dann natürlich OK; vielleicht greift er sie ja anderweitig nochauf.
Kurze @zeitonline -Meldung aus dem Feed von @dpa hier: zeit.de/news/2020-01/0… - Bezug auf Uebermedien, aber *nicht* auf die neue Schlüsselinformation. Warum nicht, @dpa? Nochmal: Wie kann man solche Informationen weglassen?
Dann gestern bei @zeitonline_kul noch einmal aufgegriffen. Wieder nur die Wechselwirkung WDR-Redakteure (und Unterstützer) mit Buhrow. zeit.de/kultur/film/20… - wieder fehlt die neue Schlüsselinformation. So langsam wird es unheimlich.
Ähnlich bei @faznet faz.net/aktuell/feuill… - Verweis auf die Kritik der WDR-Redakteure, Erwähnung von (aber kein Link auf?) @uebermedien - aber nichts von der neuen Information zum Thema Kontext.
Der jüngste @faznet -Artikel, von @thomann_j ist hinter einer Bezahlschranke - könnte jemand mal nachschauen, ob wenigstens da der neue Kontext erwähnt wird? Der Vorschau nach ("Wer Deutschlands Senioren vor einem harmlosen Lied zu beschützen sucht") leider nicht.
Kommentar bei @faznet von gestern: faz.net/aktuell/feuill… von @MichaelHanfeld - der neue Kontext fehlt auch da.
Schauen wir nochmal zur @SZ - viele Google-Hits zu #Umweltsau aus den letzten Tagen. sueddeutsche.de/wirtschaft/med… - nichts zum neuen Kontext.
@SZ Hier dann auch die @SZ zu den WDR-Redakteuren, mit Link auf den @uebermedien -Artikel. sueddeutsche.de/medien/wdr-tom… - und wieder nichts zum neuen Kontext.
Also zusammenfassend: Wer aufpasst und mitliest, insbesondere nämlich den @uebermedien -Artikel durchgelesen hat uebermedien.de/44946/eklatant… - weiß seit dem 3. Januar, dass das #Umweltsau-Lied zumindest in dem einzigen Kontext, den wir haben
- nämlich der Satire-Sendung vom 9. November - als böse Karikatur von @FridayForFuture gedacht war. So wie in dem Lied stellten sich die Kabarettisten das vor, wenn Spitzel-Kinder ihre näheren Verwandten bei der FFF-Hotline anzeigen.
Wer aufpasst und mitliest, weiß also seit dem 3. Januar, dass diejenigen, die das #Umweltsau-Lied als Verunglimpfung von Senioren kritisieren, dem einzigen uns bekannten Kontext nach einer Karikatur aufgesessen sind, die sie für voll genommen haben.
Und es ist nicht so, als hätte es seither nicht eine ganze Reihe von Medienberichten über das #Umweltsau-Lied gegeben, mit Interpretationen, weiteren Berichten, häufig auch mit Zusammenfassung des Sachstandes. Diejenigen, die ich gefunden habe (Links siehe oben) ignorieren die
neue Entwicklung völlig. Da wird unkritisch wiederholt, das #Umweltsau-Lied richte sich als Satire gegen die ältere Generation. Das finde ich ziemlich besorgniserregend. Warum taucht die neue Information nirgends auf?
Vor allem sendet es natürlich ein fatales Signal an all diejenigen, die sich an solchen öffentlichen Diskussionen beteiligen. Man könnte nämlich denken: Wer laut ist und auf #Twitter einen Shitstorm lostritt, dessen Empörung wird dann auch in den Massenmedien reproduziert. Aber
wer einfach nur gut recherchiert, eine wichtige neue Information herausfindet und veröffentlicht, wie in diesem Falle @niggi auf @uebermedien in dem genannten Artikel uebermedien.de/44946/eklatant… - das zählt scheinbar nicht soviel.
Naja. Vielleicht ändert sich das in den nächsten Tagen ja noch. Vielleicht sind die Zeitskalen, bis die neue Information durchgesickert und verarbeitet ist, ja einfach länger als die 4 Tage, die die Information jetzt schon veröffentlicht sind. Werden wir sehen.
Aber es ist halt schon ein interessanter Prüffall. Eigentlich sollen redaktionelle Medien ja gerade so etwas wie ein Korrektiv gegenüber der unsystematischeren Informationsflut auf den Sozialen Medien darstellen. Recherchieren, gewichten, das wesentliche herausstellen.
Ich bin gespannt ob das in diesem Falle noch passiert. /fin, für's erste.
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