Immer wieder diese Sommerzeit-Umstellungs-Diskussion! Das Problem ist: Die Sache hat mit Wissenschaft zu tun, aber nicht nur. Das macht die Angelegenheit schwierig. Ein kleiner Rant. (Thread)
Es gibt ein Forschungsgebiet, das sich mit unserer inneren Uhr und unserem Schlafverhalten beschäftigt – die Chronobiologie. Sie sagt uns, dass die innere Uhr nicht bei allen Menschen gleich tickt.
Unsere Gene bestimmen, ob unser „biologischer Tag“ etwas kürzer oder etwas länger als 24h dauert. Dementsprechend gehen wir gerne etwas früher oder etwas später ins Bett. Unterschiedliche Schlafbedürfnisse haben angeborene Komponenten.
Das ist wichtig zu beachten – auch bei politischen Entscheidungen, z.B. ob wir die Sommerzeit abschaffen sollten oder nicht. Aber mit wissenschaftlicher Autorität zu sagen „ich habe jetzt die faktenbasierte Antwort auf die Zeitumstellung“ ist voreilig.
Genauso wie die Leute, die mit wissenschaftlich-ernster Miene sagen: „Wir wissen ja, dass die Sonne eigentlich um 12h im Zenit stehen muss“ – ach, woher wissen wir das? Steht das im Grundgesetz? Oder in Newtons „Principia Mathematica“?
Uhrzeiten sind bloß soziale Konvention. Ob wir den Sonnenhöchststand jetzt 12:00 nennen oder 13:00 oder 21:00 oder Birnenkompott, das ist letztlich völlig egal.
Tatsache ist: Unser heute allgemein üblicher Tagesrhythmus ist nicht symmetrisch um die Mittagsstunde herum ausgerichtet. Wir sind nach Mittag viel länger wach als vor Mittag. Symmetrieüberlegungen bringen uns nichts.
Die entscheidende Frage ist daher: Wie ordnen wir unsere sozialen Konventionen so, dass sie angesichts des Sonnenlichts für die meisten Menschen Sinn machen?
Es ist ziemlich sinnlos, mit scheinwissenschaftlichen Argumenten zu verkünden, was die korrekte Uhrzeit wäre, ohne gleichzeitig darüber zu reden, wann z.B. die Schulen beginnen sollen und was übliche Arbeitszeiten sind.
Passen diese Konventionen nicht zum Sonnenlicht, dann kann es zum „sozialen Jetlag“ kommen. Viele Leute haben es nicht gern, im Winter im Dunkeln zur Arbeit gehen zu müssen.
Andererseits ist es sinnlos, wenn es im Sommer zu einer Zeit bereits hell ist, zu der laut sozialer Tagesablauf-Konvention allgemein geschlafen wird, wenn es dafür dann abends dunkel ist, wenn wir eigentlich noch aktiv sind.
Wir müssen also anerkennen, dass es ein komplexes Thema ist, in dem naturwissenschaftliche Fakten mit sozialen Konventionen und politischen Entscheidungen zusammenspielen.
Die Forschungsergebnisse der Chronobiologie müssen berücksichtigt werden. Aber wir können nicht einfach einen Chronobiologen fragen, ob die Sommerzeitumstellung gut oder schlecht ist. Wir müssen das im Paket mit unseren Lebensgewohnheiten verhandeln. (Ende)
