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Gerade herrscht große Aufregung über den „Quantencomputer“ Sycamore, der laut Google „Quantum Supremacy“ erreicht hat, also etwas leistet, was ein herkömmlicher Computer niemals leisten kann. Ein paar Gedanken dazu. (thread) 1/15
Was Google hier geschafft hat, ist tatsächlich beeindruckend: 53 Quanten-Bits konnten für eine kontrollierte Kalkulation benutzt werden. Das zeigt, dass gewaltige Fortschritte im Manipulieren von Quantensystemen erzielt worden sind. 2/15
Gelungen ist das mit supraleitenden Qubits – man verwendet dabei auf extrem tiefe Temperaturen abgekühlte Supraleiter, in denen sich der elektrische Strom in verschiedenen Zuständen befinden kann – oder, wie es die Quantenphysik erlaubt, eben auch in mehreren gleichzeitig. 3/15
Diese Qubits wurden nun verwendet, um eine ganz konkrete Aufgabenstellung zu lösen, die für gewöhnliche Computer sehr schwer zu berechnen ist. Die Aufgabe hat keine besonders spannende intuitive Bedeutung, 4/15
es handelt sich um eine eher technische Sache, die mit Wahrscheinlichkeiten von Quanten-Zufallszahlen zu tun hat. Gewählt hat man diese Aufgabe, weil man gezielt nach einer Rechnung suchte, bei der ein Supercomputer alle gewöhnlichen Computer schlagen kann. 5/15
Das scheint gelungen zu sein – allerdings hat die Sache einen Schönheitsfehler: Dass man eine Aufgabe, die aus der Quantentheorie kommt mit Quantentheorie besonders gut lösen kann, ist für sich genommen noch nicht besonders überraschend. 6/15
Was man eigentlich haben möchte, wäre ein Quantencomputer, der sich mit beliebigen Codes programmieren lässt, der beliebige Operationen erledigen kann. Und genau das ist Sycamore (noch?) nicht. 7/15
Dafür bräuchte man eine deutlich größere Zahl von Qbits und vor allem auch eine Fehlerkorrektur-Technologie, um die unvermeidlichen Fehler auszugleichen, die sich bei Quantenexperimenten immer ergeben. 8/15
Daher ist der Quantencomputer aber leider eben noch nicht mit den ersten logischen Schaltungen zu vergleichen, die man als Vorläufer moderner Computerprozessoren betrachten kann. 9/15
Damals war ziemlich klar, dass mit besseren elektronischen Bauteilen und vor allem mit einer viel größeren Zahl davon gewaltige Rechenleistung erzielbar ist. Von den ersten Kastengroßen Rechenmaschinen zum PC – das war eine Frage der Skalierung. 10/15
Beim Quantencomputer sind wir noch nicht so weit. Man kann nicht sagen: Fügen wir einfach ein paar mehr supraleitende Elemente dazu, dann haben wir einen Quantencomputer. 11/15
Einen Quantencomputer zu erweitern ist nämlich ganz fundamental komplizierter. Mit der Zahl der Qubits steigt das Ausmaß der Schwierigkeiten und möglichen Störungen extrem schnell an. 12/15
Es ist also diesmal nicht bloß eine Skalierungsfrage, man braucht noch eine Serie gewaltiger Durchbrüche, bis der Quantencomputer alltagstauglich wird. 13/15
Das sagen auch die Autoren des Google-Papers in Nature ganz offen: Ihr Computer kann keine gewöhnlichen Quantencomputer-Algorithmen ausführen (die es schon lange gibt, obwohl es noch keine Quantencomputer gibt). 14/15
Dass die Autoren so ehrlich sind, sollte man ihnen hoch anrechnen. Aber der Enthusiasmus „hurra, der Quantencomputer ist da“ scheint mir jedenfalls verfrüht. 15/15
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