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Ein paar Worte zur Frage der Meinungsfreiheit in diesem Land, weil da, wie ich finde, so viel falsch läuft, symptomatisch falsch läuft, und die Konsequenzen für die demokratische Praxis zu gravierend sind, weil der Mainstream immer mehr rechte Memes übernimmt.
Denn nichts anderes ist die Rede von der bedrohten Meinungsfreiheit - jedenfalls so, wie sie in den vergangenen Wochen diskutiert wurde: Einseitig wurden ein paar Beispiele ausgewählt, Lucke, de Maizière - während Beispiele von Meinungseinschränkungen von rechts ignoriert werden.
Das ist im Übrigen nicht nur die klassische Methode rechter Argumentation, der Einzelfall über das Strukturelle, es ist umgekehrt auch ein Zeichen der Schwäche linker Positionen oder Argumente, die Meinungsfreiheit ist nur ein Beispiel für Ideen, die sie sich wegnehmen ließ.
Andere Beispiele sind etwa die Worte Freiheit und selbst Demokratie, die im Diskurs in vielen Fällen von rechts besetzt wurden - auf ähnliche Weise wie es mit der Meinungsfreiheit passiert, deshalb ist dieser Fall so entscheidend; und so wird die Diskussion ja auch geführt.
Blind also für die eigentlichen Gefahren der Einschränkungen der Meinungsfreiheit, und das nicht zufällig: Es ist eben sehr viel bequemer, sich über die Gefahr zu echauffieren, die von der Antifa ausgeht, als zu sehen, was es bedeutet, wenn monopolistische Tech-Konzerne
entscheiden können, welche Grenzen sie auf Plattformen, die zur demokratischen Infrastruktur geworden sind, für die Meinungsfreiheit setzen, ganz ohne demokratische Kontrolle. Ich glaube, es sagt viel aus über den Zustand dieses Landes und auch den Journalismus, dass dieser
Aspekt, der so zentral ist für unsere Demokratie, die sich der Macht von Facebook, Twitter etc widersetzen muss, kaum diskutiert wird, jedenfalls nicht im Angstton der Coverstories von vor ein paar Wochen.
Es ist auch symptomatisch, dass eben fast nur Einschränkungen gegen rechts oder rechtskonservativ als Gefahr gesehen werden, während Einschränkungen gegen links nie auf Coverhöhe kommen, etwa die Diskussion um Feine Sahne Fischfilet oder die Ausladung von Philipp Ruch, um nur
ein paar Beispiele zu nennen. Es gäbe sehr viel mehr, und gerade weil die Beispiele in den meisten Medien so offensichtlich einseitig gewählt sind, zeigt sich die Intention dieses Diskussion: Linke Positionen im Diskurs in die Defensive zu bringen.
Oder, was heißt linke? Wenn da etwa steht, dass xx Prozent der Deutschen sich nicht trauen zu sagen, was sie über Ausländer oder Fremde denken, dieses Denken aber rassistisch geprägt ist, dann ist das keine Frage der Meinungsfreiheit, sondern des gesellschaftlichen Rassismus.
Das Ergebnis dieser Diskursverschiebung sind dann Auftritte wie der von Stephan Brandner, der im Grunde das Gleiche sagte, was in den meisten Texten über Meinungsfreiheit stand: Ich darf nicht sagen, was ich denke -
flankiert von zwei Kolleg*innen, Weidel und Gauland, die für alle offensichtlich zeigten, was sie von Meinungs- oder Pressefreiheit halten - sehr wenig, denn kritische Fragen sind dämlich. In den Kommentaren dazu steht dann wieder etwas von „bad people on both sides“ -
dieses Muster zieht sich ja auch durch die Diskussion, wobei auch hier übersehen wird, dass es ein fundamentales Ungleichgewicht gibt zwischen einzelnen Fällen oder einem gefühlten gesellschaftlichen Klima und der Strategie der strukturellen Einschränkung von Meinungsfreiheit.
Wenn also, wie es gerade geschieht, eine Demonstration (!) gegen kritische Journalisten organisiert wird, wenn kritische Journalisten die Wohnung wechseln müssen, weil sie massiv bedroht werden - warum ist das keine Coverstory wert?
Jeder Kampf für die Meinungsfreiheit verliert seine Legitimation, wenn er offensichtlich einseitig geführt wird.
Man könnte auch noch weitergehen und fragen, wie Meinungsfreiheit und Macht verbunden sind, was es also etwa bedeutet, dass so wenige Deutsche mit Migrationshintergrund im öffentlichen Diskurs vertreten sind, was also Meinungsfreiheit bedeutet, wenn man die Instrumente dafür
nicht besitzt und den Zugang zu den Institutionen; diese Fragen, genauso wie vor allem die Frage der Meinungsfreiheit im digitalen Kapitalismus sollte auf Covergröße diskutiert werden, wenn der Journalismus seiner aufklärerischen Aufgabe gerecht werden wollte.
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