Ich verstehe die Corona-Strategie der österreichischen Regierung immer weniger - insbesondere, was Kommunikation betrifft. Eine kurze Rekapitulation:
Anfang März stiegen die Corona-Zahlen exponentiell an. Relativ rasch und entschlossen (gut so!) wurden harte Maßnahmen ergriffen: Universitäten und Schulen geschlossen, Veranstaltungen abgesagt - und dann Sperre von Geschäften und Lokalen, der "Lockdown".
Wie zu erwarten war, wurde das exponentielle Wachstum der bestätigten Fälle dadurch eingebremst. Laut öffentlichen Zahlen (natürlich ohne Dunkelziffer) geht der tägliche Zuwachs sogar in absoluten Zahlen zurück.
Das ist noch lange kein Grund, unvorsichtig zu sein, aber es ist erfreulich. Noch immer weiß man nicht, wie man langfristig aus der Situation herauskommt, aber man hätte mal signalisieren können: Gut macht ihr das, Leute, weiter so!
Bisher war nur die "Verdopplungszeit" als Maß für den exponentiellen Anstieg verwendet worden. Dann, am Wochenende, brachten einige Mathematiker den "Basisreplikationsfaktor R" ins Spiel - ein Maß dafür, wie viele Leute eine infizierte Person ansteckt.
Das ist nichts Neues- der Exponent des Wachstums und dieses mysteriöse R haben dieselbe Aussagekraft: Ungebremstes Wachstum endet böse. Klar. Das wussten wir von Anfang an. Trotzdem führte das offenbar zu großer politischer Aufregug. Eine düstere Pressekonferenz am Montag folgte.
Maskenpflicht wurde angekündigt, und am Abend prognostizierte Kanzler Kurz den Zusammenbruch des Gesundheitssystems und eine große Zahl von Toten. All das, weil man dieselbe Sache mit "R" statt mit "e hoch x" beschreibt? Oder gab es neue Daten? Wir wissen es nicht.
Jetzt scheint wieder Beschwichtigung angesagt: Vizekanzler Kogler denkt über Lockerungen nach. Warum dieses Hin und Her? Ich verstehe völlig, dass man in komplizierten Fragen seine Meinung ändert. Das ist auch völlig ok.
Es wäre nur gut, öffentlich klarzustellen, ob die Meinungsänderungen auf neuen Erkenntnissen beruhen, oder ob sich sonst etwas geändert hat. Wenn man das nicht macht, erzeugt man entweder Panik oder Verharmlosung. Beides können wir nicht brauchen.
