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Ridley Scott lässt einen Schauspieler "Is wie 'n Szenario auf' nem Holocaust-Gemälde" sagen, als dieser Tote auf einem Planeten findet. Im Film _Prometheus – Dunkle Zeichen_, der zur Reihe der Alien-Filme zählt, wird dieser
(Screenshot: _Prometheus – Dunkle Zeichen_, sw)
Vergleich formuliert. Analogien sind immer problembehaftet, weil sie ein Nichtidentisches ansprechen aber doch eine Definition in der Vermessung des Gleichen anbieten. Was zu sehen ist, _ist_ nicht der Holocaust, es ist _wie_ der Holocaust. Hier ist das, was zu sehen ist, noch
weiter entfernt vom "Original", es wird verglichen mit einem Gemälde, mit dem Medium der Gesamtschau einer Situation. Das der Szenerie aufgestapelter Leichen Ähnliche ist "wie gemalt". Damit sind zwei Aspekte im Setting der Ästhetik des Films angesprochen: Das sichtbare Grauen
und seine Adäquate Darstellung sowie die Gedächtnisse des Grauens, die zum Teil aus diesen Darstellungen gebildet werden. Steht "Holocaust" für die Vernichtung der Juden und die Ermordung von Menschen zur Zeit des europäischen Naziregimes, kann auch die sogenannte
Aktion T4 zum Grauen gezählt werden. Ja, es gibt Bilder, Gemälde, des Holocaust. Yad Vashem hält eine große Sammlung Bilder, die während des Holocaust entstanden, ein bekanntes Bild, das zum Grauen, das in den Begriff der Ermordung von Menschen durch Nazis gehört ist
_Tante Marianne_ von Gerhard Richter, das im Film _Werk ohne Autor_ zentral ist und die ermordete Verwandte des Malers, Marianne Schönfelder, zeigt. Sie wurde 1945 in der Psychiatrie getötet. Es überrascht nicht, Bilder und Holocaust in einem SciFi-Msytikdrama voller
Außerirdischer zum Kontext angeboten zu bekommen. Der Satz "wie 'n Holocaust-Gemälde" im Alienfilm _Prometheus_ dockt aber an die saloppe Erinnerung an die Ermordung von Juden an. Die adäquate Darstellung des Holocaust kann, folgt man Claude Lanzmann, nie eine sein. Warum also
der Vergleich von Toten mit einem Gemälde des Holocaust? Wie Auschwitz zu einem namentlichen Synonym für die industrielle Ermordung der Juden in Europa wurde, ohne Vorbild, ohne Kopie, wird ein Leichenhaufen zum ikonischen Synonym. Art Spiegelman hat das in _Maus_ ironisiert.
Darin sitz er auf einem Haufen von im KZ Ermordeter am Zeichentisch. Der Leichenhaufen scheint nachweislich wie "gespeichert" - formell wie der Sonnenuntergang oder das Gebirge, ein See, eine Blume. "Wie gemalt" bezieht sich mit diesen Stereotypen und Ikonen immer auf das
nie ganz ineinander aufgehende Verhältnis von Wirklichkeit und Speicher. Auch wenn hier sprachlich die Wirklichkeit an den Prinzipien von Abbildung gemessen wird und die Simulation stärker als das vor Augen Sichtbare sei, wird das prima facie nicht entwertet oder allein mit dem
ikonischen Speicher (von Sonnenuntergängen, Blumen, Leichen) abgeglichen. Das Verhältnis von Gedächtnis selbst wird mit dieser Phrase "wie gemalt" angesprochen und eine Skepsis dem Gedächtnis gegenüber. Die Hinweise von z.B. Aleida Assmann auf die Konstruktivität der
Gedächtnisse in Speichern, die sie mit ihrem Mann Jan erarbeitete, nimmt die Theorie von Medien explizit nicht aus. Jedes Bild von Toten, aufgeworfen wie KZ-Tote, wird als Bild und als Wirklichkeit gelesen. Sind Bilder Speicher, mit denen
Gedächtnisse - hier mechanistisch schematisiert - zu dann Erinnerungen "prozessiert" werden, wird augenscheinliche Wirklichkeit nur noch im Abgleich mit dem, was laut "Konstrukt" bereits vorhandener Gedächtnisse, einmal war wirklich.
Scott schreibt darum in diese Gedächtnisse in der "Rubrik Holocaust" etwas ein. Das stellt den Holocaust nicht in Frage, weil dessen Einmaligkeit in einer Szene kopiert destruiert würde. Es stellt die Darstellbarkeit des Holocaust und der Tötungen in Frage und wie man sich daran
erinnern kann. Die Leichen der Planetenbewohner erinnern an eine Darstellung des Holocaust. Ist die Undarstellbarkeit des Holocaust oder der Shoa (die Bezeichnung, welche die Katastrophe und nicht das Opfer meint) verbunden mit einem Bilderverbot? Nelly Tolls Wasserfarbenbilder
zeigen keine Leichenberge. Ihre Blickentwürfe sind keine Ikonen oder Bildcodes des Holocaust. Wenn der jedoch erinnerbar ist über Bilder, wie Toll 2016 auf der Ausstellung _Kunst aus dem Holocaust_ betont hat, wird es mit der Optik der Unbeteiligten, im Vergleichsmodus
hinzusehen visuell. Vom Moment der Realisierung und Vergewisserung der stattgefundenen Tötungen an, immer vom Moment der Realisierung und der Rekonstruktion eines Geschehens an, bildet das visuelle Datum die Ausgangslage für alles Weitere.
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