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Nicht nur nach der Heinsberg-Studie sieht es so aus, dass kontaminierte Oberflächen bei der Corona-Virus-Ausbreitung kaum eine Rolle spielen; auch in einer amerikanischen Studie ist es nicht gelungen, von Oberflächen abgenommene Viren zu vermehren.
Nehmen wir an, die Ergebnisse stimmen, dann wäre wohl in fast allen Fällen der Hauptansteckungsweg die Verbreitung über winzige Tröpfchen aus Körperflüssigkeit, die beim Atmen, Sprechen, Niesen und Husten abgesondert und dann eingeatmet werden.
Dabei stellen wohl vor allem Tröpfchen mittlerer Grösse die grösste Gefahr da. Größere Tropfen sinken schneller zu Boden, und kleinere Tröpfchen verdampfen relativ schnell und enthalten u.U. gar keine oder zu wenig Viren. Hier die berühmte Verdampfungs-Fall-Kurve von Wells.
Die Wells-Kurve gilt aber nur für unbewegte Luft und bestimmte Luftfeuchtigkeit und berücksichtigt nicht das Vorhandensein anderer Stoffe als Wasser im Tröpfchen und sagt nichts direkt darüber aus, inwieweit das Virus durch Verdampfen des Wassers inaktiviert wird.
Je kleiner ein Tröpfchen, umso mehr Oberfläche hat es im Vergleich zum Volumen, so dass es innerhalb von Sekundenbruchteilen verdampfen kann. Da dabei die Konzentration von Salzen steigt, die evtl. auch noch Kristalle bilden, können dadurch Viren sehr schnell geschädigt werden.
Gleichzeitig werden sie unter Umständen durch in der Körperflüssigkeit enthaltenen Fette und Proteine etwas länger geschützt, als es in einer rein wässrigen Lösung der Fall wäre, und es hängt auch von Temperatur und Luftfeuchtigkeit ab, was genau passiert.
Trifft so ein Tröpfchen nun auf eine Schleimhaut oder Lunge eines anderen Menschen, werden die Viren bzw. ihre Umgebung sehr schnell rehydriert und können auch dabei Schaden nehmen, werden dabei aber u.U. auch von körpereigenen Fetten und Proteinen geschützt.
Die Konzentration von Virenkopien im Speichel liegt wohl bei bis zu 10⁸/ml, was bedeutet, dass in nur jedes 10.-20. Speicheltröpfchen mit 1 µm Grösse eine Viruskopie enthalten kann; ein 10µm-Tropfen dürfte im Schnitt 5-10 Viruskopien enthalten, ein 100µm/0,1mm-Tröpfchen 500-1000
Die Zahlen sind alle mit Vorsicht zu geniessen, praktisch Alles zu SARS2/nCov ist bisher nicht Peer-reviewed, aber es klingt alles halbwegs plausibel. Es gibt aber viele alte Untersuchungen, wie viele Tröpfchen Menschen denn so beim Atmen, Sprechen, Husten und Nießen verbreiten.
Nießen produziert wohl bis zu 40.000 Tröpfchen zwischen 0,5 und 12µm Durchmesser, Husten um die 3000 Tröpchen, so viel wie 5 min. Sprechen, bei dem man also ca. 10 Tröpfchen/Sek. ausscheidet, aber auch beim Atmen, wobei da die Tröpfchen kleiner sind.
ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK14328…
Beim Einatmen landen Partikel > 10 µm fast komplett in der Nase, Partikel < 1 µm fast komplett in den Lungenbläschen, die dazwischen auch zu einem Anteil in den Bronchien. Gängige Filter(-masken) sind bei 0,3 µm am durchlässigsten und daher für diese Partikelgrösse spezifiziert.
Für den praktischen Infektionsschutz ergibt sich daraus: Abstand halten hilft schon mal allein dadurch, dass einen großen Tropfen mit vielen Viruskopien nicht erreichen, weil sie zu Boden fallen und die ganz kleinen unterwegs verdunsten und meist gar keine Viren enthalten.
Allerdings gibt je nach Umgebungsbedingungen eine Tröpfchengröße, wo die Tröpfchen genug Kopien enthalten, nicht sofort verdampfen und länger schweben können. Unter solchen besonderen Situationen kann SARS2 vielleicht ausnahmsweise "airborne" werden, was es eigentlich nicht ist.
Bei Keimen, die "airborne" sind, kann man sich etwa auch anstecken, wenn ein Infizierter vorher im Raum war oder etwa mit demselben Fahrstuhl gefahren ist. Das ist bei SARS2 normalerweise nicht so.
Es gibt nun eine herausragende Fälle, wo sich etwa im Club Trompete 42 von 70 Besuchern angesteckt haben. Eine Erklärung wäre, dass die Bedingungen da ideal waren: Ein Infizierter, der viel und laut gesprochen und gehustet oder geniesst hat, hohe Luftfeuchtigkeit und -bewegung.
Die Luft im Club hätte fast überall hinreichend viele Tröpchen mit "lebensfähigen" Viren enthalten, so dass ein direkter Kontakt oder unmittelbare Nähe zum Infizierten gar nicht erforderlich war, um sich anzustecken. Wissen tun wir das nicht, aber es ist eine gute Erklärung.
In diesem Preprint wurden Viruskonzentration von 2-4 Kopien pro Liter Luft in Patientenzimmern gemessen, in Sonderfällen 19 bis 48, und auf Oberflächenabstrichen (Boden, Nachttisch, Handy, Abluftfilter) bis zu 1,75 Kopien/µL, im Schnitt aber 0,2 Kopien/µL. medrxiv.org/content/10.110…
Auch in dieser Studie ist es aber nicht gelungen, aus den Luft- oder Oberflächenproben Viren in Kulturen zu vermehren, was darauf hindeutet, dass diese wahrscheinlich alle nicht ansteckend sind; es braucht dafür wohl relativ "frische" oder besonders gut "konservierte" Viren.
Das heisst jetzt nicht, dass man sich über Gegenstände gar nicht infizieren kann, aber dafür muss jemand den Gegenstand kurz vorher angehustet oder mit einer angehusteten Hand berührt haben. Das ist jedenfalls mein Wissensstand.
Für mich ergibt sich daraus, dass ich etwas weniger Angst vor Türklinken habe. Gleichzeitig scheint von direkten Gesprächssituationen eine hohe Ansteckungsgefahr auszugehen. Gefährlich wären auch Räume, in denen viele Leute laut reden oder Fitnessstudios, wo heftig geatmet wird.
Kommen nämlich neben einem laut redenden Infizierten mit feuchter Aussprache dann noch entsprechende Temperatur-, Luftfeuchte und Luftbewegung dazu, ist es auch mit Abstand halten nicht getan; ein Infizierter kann dann den halben Laden anstecken.
Auch wenn speziell zu Corona noch wenig harte Parameter dazu gibt, zeichnet sich allmählich ein Bild ab, wann sich Leute anstecken und wann nicht. Singen im Chor scheint auch "Superspreading" zu ermöglichen: 45 von 60 Sängern wurden bei 1! Probe infiziert. latimes.com/world-nation/s…
Das Chor-Szenario passt gut zu den Annahmen und der Studienlage, aber genau wissen wir es nicht. Könnte leider auch Fußballgesänge im Stadion betreffen, aber da sind die Verhältnisse vielleicht andere; allerdings sorgt laut reden, singen oder schreien wohl für mehr Virusausstoß.
Auf der anderen Seite arbeiten Pfleger und Ärte mit Infizierten, ohne sich selbst sofort anzustecken, auch ohne Schutzmasken, deren Wirkung ja ein Thema für sich ist. Was das alles für das Tragen von Schutzmasken bedeutet, wenn es zutrifft, schreibe ich einem eigenen Thread.
Ansonsten der Disclaimer: Ich bin nur ein Dude aus dem Internet, bemühe mich aber, keinen Unsinn zu verbreiten und nur seriöse Quellen heranziehen. Wascht euch trotzdem weiter die Hände.
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