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Heute hat der @svr_wirtschaft sein neues Jahresgutachten vorgestellt - wie immer mit viel spannendem und diskussionswürdigem Material. Eine erste Reaktion #thread /1
Wichtige Teile des Gutachtens gehen um den Strukturwandel und Industriepolitik. Auch wenn ich dazu an anderer Stelle auch schon geschrieben habe, konzentriere ich mich auf die stärker makroökonomische Themen: Geld- und Fiskalpolitik, einschließlich auch der #Schuldenbremse. 2/
Meine Schlussfolgerung: Die vom @svr_wirtschaft vorgebrachten Politikbewertungen und –empfehlungen sind im Zusammenhang mit der Konjunkturanalyse nicht überzeugend und – besonders zusammen mit den im vorangegangenen Gutachten bezogenen Positionen auch nicht konsistent. 3/
Dabei geht es mir nicht darum, dass die übliche, oft vom @svr_wirtschaft verbreitete Litanei über vermeintliche, kostenfreie Vorteile der Schuldenbremse recht unverändert wiederholt wird. (Diese Argumente halte ich zwar für falsch, aber nur teilweise für inkonsistent.) 4/
Der @svr_wirtschaft diagnostiziert eine Abschwächung der Konjunktur sowohl in Deutschland als auch in der €-Zone. Gleichzeitig hält er die Geldpolitik der @ecb für zu locker und warnt davor, mit expansiver Fiskalpolitik gegenzusteuern. 5/
Begründet wird die angemahnte wirtschaftspolitische Zurückhaltung zum einen mit der Diagnose, dass die Volkswirtschaft immer noch in der Vollauslastung befinde, zum anderen damit Fiskalpolitik nicht zur Steuerung der Konjunktur geeignet wäre. 6/
S. 33: „[Die] Wirtschaftsleistung im €-Raum [nähert sich] infolge der
Wachstumsschwäche dem Potenzialniveau von oben an. Aus diesem Rückgang
ergibt sich ein geringerer Auftrieb für die Inflation, angesichts der weiterhin
positiven Produktionslücke aber kein Druck nach unten.“7/
Diese Diagnose erscheint angesichts der massiv gesunkenen Inflationsprognose seit dem vergangenen Jahr und den gefallenen (und wohl derzeit weiter fallenden) Inflationserwartungen – weg vom Ziel - fragwürdig. 8/
Wenn es einen „Auftrieb“ bei der Inflationsrate gibt, dann muss man ihn derzeit mit dem Mikroskop suchen. 9/
Noch in Jahresgutachten 2018 hat der SVR vor drohenden Inflationsgefahren durch vermeintlich zu lockere Geldpolitik gewarnt. Jetzt ist die Inflation und die Inflationserwartungen gefallen. Sollte man dann nicht eigentlich eine Ursachenanalyse für die Fehldiagnose erwarten? 10/
Eigentlich gibt es hierfür nur zwei Erklärungen: 1) Die Output-Gap-Schätzungen liegen daneben und wir haben heute noch eine signifikante Unterauslastung der Kapazitäten oder 2) das zugrunde liegende Makro-Modell (bzw. die Parameter) mit der Philipps-Kurve ist schlicht falsch. 11/
Die Output-Gap-Schätzungen werden zwar vom @svr_wirtschaft untersucht, aber eine massive Überschätzung der Kapazitätsauslastung wird verworfen. Stattdessen wird sogar eine systematische UNTERschätzung vermutet (Kap 5, Abschnitt IV). 12/
Die Validität des Makro-Modells wird nicht diskutiert, stattdessen werden recht unkritisch geldpolitische Regeln aus diesen Modellen herangezogen, um zu belegen, dass die Geldpolitik der @ecb zu locker sei. 13/
Zu dem Verfehlen des Inflationsziels findet sich stattdessen ein – aus internationaler Sicht wohl schon fast drolliger – Abschnitt zum Inflationsziel der @ecb. Zum einen versucht der @svr_wirtschaft zu argumentieren, dass das @ecb Ziel nicht – wie üblicherweise 14/
gesehen - bei 1,9% liege. Zwar habe Draghi diese Ziel so genannt, aber ein formaler Beschluss fehle, der das Ziel bei diesem Wert festschreibe. 15/
Weiter wird empfohlen, ein niedrigeres Ziel zugrunde zu legen, also faktisch nach wiederholter Verfehlung des Ziels (und falsch liegender @svr_wirtschaft Prognoses) die Zielmarke anzupassen.16/
Hätte man sich sinnvoll mit diesen Punkten auseinandergesetzt, hätte man vielleicht zu der Schlussfolgerung kommen können, dass doch eine expansivere Fiskalpolitik notwendig ist – wie es derzeit weite Teile der internationalen Makro-Community tun.17/
Auch bei der Frage nach der Rolle von Fiskalpolitik hat sich mit dem Gutachten der @svr_wirtschaft abseits den internationalen Konsens gestellt (siehe Umfrage-Link). Das kann man machen, aber vielleicht wären dann stärkere Argumente gut. sandcat.middlebury.edu/econ/repec/mdl… 18/
Positiv ist zu werten, dass diese inkonsistente und wenig überzeugende Makro-Analyse offenbar nur noch von drei der fünf Mitglieder getragen wird. @isabel_schnabel und @AchimTruger haben überzeugende Minderheitsvoten verfasst. 19/
Und @isabel_schnabel hat ausdrücklich mit Blick auf ihren neuen @ecb Job das Geldpolitik-Kapitel nicht mitgetragen. 20/
Das spricht für die hier auf #EconTwitter bereits häufiger geäußerte Schlussfolgerung: Der Wechsel von @isabel_schnabel ist ein Verlust für den @svr_wirtschaft, aber ein Glücksfall für die europäische Wirtschaft und die @ecb. 21/
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