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Ich hatte hier auf #Twitterecon geäußert, dass ich das #Klimapaket der #GroKo nicht ganz so katastrophal finde, wie es jetzt von Kommentatoren gegeißelt wurde. Hier ein paar Erläuterungen zum Thema. 1/
Zuerst vorweg ein Disclaimer: Ich habe zwei Töchter, die am Freitag auf der #Fridaysforfuture Demonstration waren. Ich finde Klimaschutz sehr wichtig und ich war am Freitagabend auch zunächst arg ernüchtert (bzw. enttäuscht) von den Eckpunkten des Pakets. 2/
Bei genauerem Hinsehen ist das Paket allerdings besser, als es auf den ersten Blick erscheint. 3/
Drei zentrale Kritikpunkte gibt es derzeit: Erstens, dass die CO2-Bepreisung nicht aggressiv genug ist. Zweitens, dass die Investitionsvolumina zu niedrig seien. Aus anderer Richtung wird kritisiert, dass neben der Bepreisung eine Vielzahl anderer Elemente eingesetzt wird. 4/
Die große Enttäuschung bei Vielen war wahrscheinlich der niedrige Einstiegspreis für CO2 und der extrem flache Anstieg (10 € in 2020 auf 35 € in 2025). Wir selber am @IMKFlash waren für unser CO2-Gutachten für das @BMU von 35 € 2020 und (real) 180 € in 2030 ausgegangen. 5/
Tatsächlich ist der Einstiegspreis für die Wirkung des Klimapakets nicht entscheidend. Wie in allen Gutachten zum Thema steht, ist die kurzfristige Nachfrageelastizität nach fossiler Energie sehr niedrig. Wirkungen des CO2-Preises kommen erst mittel- und langfristig. 6/
Solange die Nachfrage aber unelastisch ist, hat eine CO2-Bepreisung geringe Lenkungs- und große (ungewollte) Verteilungswirkungen. Kurzfristig müssen vor allem die ärmeren Haushalte ohne Möglichkeit zur Verhaltensänderung einen höheren CO2-Preis tragen. 7/
Wenn man also eine möglichst große CO2-Einsparung bei geringen Verteilungswirkungen will, ist eine Erwartung mittelfristig deutlich höherer Preise bei zunächst leicht steigenden Preisen der beste Weg. Und natürlich braucht man Investitionen, um die Elastizität zu erhöhen. 8/
Auch hier ist das vorgestellte Paket natürlich nicht ideal, aber auch nicht so schlecht, wie nun oft kommentiert. Bis 2025 gibt es zwar nur marginale Anstiege beim CO2-Preis, aber schon 2026 könnte der große Sprung kommen. 9/
Wenn tatsächlich die Maßnahmen nicht reichen, bis dahin den anvisierten Einsparpfad zu erreichen (und alle argumentieren ja, dass dies so kommen werde), dann wird der CO2-Preis 2026 auf die Höchstgrenze von 60 € springen. 10/
Was nach 2026 kommt, dürfte entscheidend davon abhängen, wie die Wahlen 2021 ausfallen. Aus meiner Sicht ist es kaum vorstellbar, dass die @Die_Gruenen einen Koalitionsvertrag unterschreiben, der nicht einen perspektivisch höheren CO2-Preis erhöht. 11/
Würde man danach einfach die Zertifikatsmenge auf den zugesagten Pfad der deutschen CO2-Reduzierung festschreiben, könnten die 180€ bis 2030 erreicht werden. Und nach aktuellen Umfragen ist es eher unwahrscheinlich nach 2021 eine Bundesregierung ohne die #Grünen zu haben. 12/
Damit ist die Situation heute grundlegend anders als bei der Einführung der Ökosteuer 1999: Damals bestand die realistische Erwartung, bei den nächsten Wahlen den Energiepreisanstieg wieder los zu werden. Heute gibt es realistisch nur einen höheren Preispfad. 13/
Darauf können sich Immobilienbesitzer und Autofahrer nun einstellen – und werden das hoffentlich tun. Und die angekündigten Investitionen und Förderprogramme dürften hier helfen. 14/
(Und, ja, ein angekündigter größerer CO2-Preisanstieg Richtung 2030 wäre schöner gewesen, wäre aber auch nicht planungssicher, weil die jetzige Bundesregierung ja nicht künftige Regierungen verpflichten kann.) 15/
Zu Kritikpunkt 2: Ja, @achimtruger, mehr Investitionen wären besser. Aber hier glaube (und hoffe) ich, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Die Konjunktur kühlt sich ab. Ökonomische Vernunft bei der Schuldenbremse (d.h. hin zu einer Reform) verbreitet sich 16/
und die Hoffnung ist, dass wir doch noch ein größeres Investitionspaket in den kommenden Jahren bekommen, als Kombination eines Stabilisierungs- und Transformationspakets, verantwortungsvoll kreditfinanziert. 17/
Und was ist mit dem Argument, dass man besser einfach den Markt hätte spielen lassen sollen? Einfach einen Pfad für die Emissionen festlegen, alle Sektoren in den Emissionshandel einbeziehen und warten, was passiert. Die Lösung wird dann schon effizient sein? 18/
Der Glaube vieler Ökonomen an einen Zertifikatshandel als die effizienteste Lösung zur Klimawende hängt aus meiner Sicht an ein paar unrealistischen Modellannahmen, die leider nicht immer mitgedacht werden. 19/
Dazu demnächst mehr – dieser #Thread ist schon lang genug (bzw. zu lang)… Kurz: Mein Fazit: Das jetzige Klimapaket ist zu klein (sollte noch wachsen), aber geht durchaus in die richtige Richtung./END
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