1/ die Lage an der Grenze und in den Lagern ist aus menschenrechtlicher Sicht höchst bedenklich. Das Asylrecht wird defacto ignoriert und der Schutz von Flüchtlingen - sogar ihr Überleben - ist keine Frage des Rechts mehr, sondern des politischen Ermessen von einzelnen Staaten.
2/ Das hat weitreichende Auswirkungen über die Lage in Griechenland hinaus. Differenzierung bei gesundheitlichen Maßnahmen nach Rechtsstatus oder Nationalität oder eine Abschaffung des Asylrecht unter Deckmantel der Krise ist jedenfalls nicht mit internationalem Recht vereinbar.
3/ Mehr humanitärer Einsatz oder eine Evakuierung sind aber sicher notwendig, und es besteht kein ernsthafter Zweifel daran, dass es auch in Österreich die notwendigen Kapazitäten für eine Aufnahme gibt.
4/ Aber das ist alles natürlich bei weitem nicht ausreichend. Die Corona-Krise zeigt deutlich die Stärke, die geeintes Handeln von der internationalen Ebene bis zu den Graswurzeln zum Ausdruck bringen kann.
5/ Die Flüchtlingskrise braucht ebensolche kollektive Anstrengung, die Überwindung von Nationalismen, eine neue Qualität internationaler Kooperation oder gar neue Formen politischer Organisation.
6/ Die Krise zeigt zudem auf schmerzliche Art und Weise die Realität globaler Interdependenz auf. Dieselbe Abhängigkeit ist auch bei der Flüchtlingsfrage gegeben und Lösungen, die nur einen Teil der Welt im Blick haben, sind von vornherein zum Scheitern verurteilt.
7/ Flüchtlinge sind, wie Zygmunt Bauman das so klar formuliert hat, die Boten von schlechten Nachrichten. Ihr Auftreten zeigt den Zusammenbruch nationalstaatlicher Ordnung auf.
8/ Daher muss Antwort auf Flüchtlingsdilemma va darauf ausgelegt sein, neue Formen politischer Organisation und Kooperation zu gestalten, sodass Personen nicht defacto von gesamter menschlicher Gemeinschaft ausgeschlossen werden, wenn sie den Schutz eines Staates verlieren.
9/ Solange dieses Bewusstsein nicht stärker wird und sich in gesellschaftlicher Realität übersetzt, werden Flüchtlinge weiterhin die ersten Leidtragenden einer beklagenswert mangelhaften Weltordnung bleiben
