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Was ist bloß los mit mir? Verkünde ich "no-brainer" oder sind meine Sinne vernebelt?🤔

@Ch_Eisenring glaubt Letzteres. Und dass dieses Problem auch viele andere beträfe.

nzz.ch/meinung/negati…
@Ch_Eisenring So, ich habe nach mehreren Espresso-Shots nun eine kurze Wachphase erwischt und werde mich jetzt an einer kurzen Antwort versuchen.

Nicht vernebelt, sondern hoffentlich rational 😊 Wish me luck… /1
Erstmal: warum werde ich von @Ch_Eisenring namentlich exponiert?

Vermutlich weil ich mich kürzlich @NZZ für ein „massives Investitionsprogramm“ (ca. 450 Mrd über 10 Jahre) in Deutschland ausgesprochen und das u.a. mit Niedrigzinsen begründet habe. /2

nzz.ch/meinung/blocka…
Ich finde es daher auch überhaupt nicht schlimm, dass der Vorwurf der „vernebelten Sinne“ damit an mich persönlich gerichtet zu sein scheint.

Darum geht's doch überhaupt nicht. Ich finde es sehr gut, dass die @NZZ die Diskussion zu dieser extrem wichtigen Frage weiterführt. /3
ALSO: @Ch_Eisenring bringt vier Argumente warum man trotz Niedrigzinsen lieber doch kein schuldenfinanziertes Investitionsprogramm machen sollte:

1.Zinsen können wieder steigen
2.Crowding-out
3.Vermischung mit Konjunktur
4.Hausgemachte Unfähigkeit bei der Umsetzung /4
Zu Punkt 1: Stimmt, Zinsen können wieder steigen.

Aber wie wahrscheinlich ist das? Zinsen sind seit ca. 40 Jahren rückläufig und viele Projektionen (u.a. @iw_koeln ) deuten darauf hin, dass Zinsen noch sehr lange sehr niedrig bleiben dürften. /5

iwkoeln.de/presse/pressem…
Das hat weniger mit der @ecb Geldpolitik zu tun, sondern vielmehr mit langfristigen strukturellen Verschiebungen, die sich nicht über Nacht wieder ändern.

Insbesondere: Sparschwemme durch Demographie und v.a. weniger Kapitalbedürfnis des Unternehmenssektors.

Die Folge 👇🏼 /6
In vielen Ländern sind Unternehmen zu Netto-Sparern geworden. Mutmaßlich, weil gestiegene Marktkonzentration zu höheren Profiten und weniger Abhängigkeit von Fremdfinanzierung geführt hat. Außerdem brauchen Internetfirmen weniger Kapital als Stahlfabriken.

Resultat: Zinsen ⬇️ /7
Es ist also unwahrscheinlich, dass morgen eine böse Fee kommt und die Zinsen wieder hochdreht. Und wir stehen da mit unserer Staatsverschuldung und müssen plötzlich nicht mehr zu 0% sondern zu x% (x>>0) re-finanzieren.

Wenn doch, dann wäre das ein ernsthaftes Problem! /8
Gibt aber Lösungen. Wir müssen ja nicht ab sofort riesige jährliche Budgetdefizite fahren.

Lieber einmal zuschlagen, großen Betrag zu attraktiven Zinsen sichern und – wenn wir wollen – einen Tilgungsplan verankern. Dann ist roll-over risk ~null. /9

Zu Punkt 2: Crowding-out

Den Punkt hatte Peter Fischer @pfi_nzz auch schon angesprochen und ich hatte ihm geantwortet.

In short: Momentan haben wir in Deutschland eher crowding-in als crodwing-out. cc/@ClausMichelsen /10

Zu Punkt 3: Konjunktur

Vorwurf ist, dass einige Ökonomen offenbar immer für Schulden&Investitionen sind– egal ob im Boom oder in der Rezession.

Gestern im Boom haben sie noch mit r<g argumentiert, heute wollen sie mit Investitionen gegen die (drohende) Rezession ankämpfen. /11
Ich sehe da aber keinen Widerspruch.

Es geht bei den Investitionen nicht um Konjunktur-, sondern um strukturelle Wachstumspolitik. Marode Schulen oder schlechtes Internet haben nichts mit Boom-Bust-Cycles zu tun. Sie sind immer ein Problem und eine Wachstumsbremse. /12
Deswegen darf man auch unabhängig vom Konjunkturzyklus für Investitionen sein.

Und in einer drohenden Rezession haben sie eben, quasi als Nebenaspekt, auch noch einen konjunkturellen Nebeneffekt. Und man findet dann auch wieder mehr Handwerker die Projekte umsetzen. /13
(Nota bene: Im Textbuch sind die Zinsen in einer Boom-Phase hoch und deswegen wären Investitionen dort teuer. Aber in den vergangenen ~10 Jahren war das eben schon nicht mehr so, r<g.)

Booms verändern sich offenbar, vermutlich wegen der angesprochenen strukturellen Gründe. /14
Damit zum aus meiner Sicht wichtigsten Kritikpunkt 4: Hausgemachte Unfähigkeit

Wenn wir heute ein Investitionsprogramm auflegen, kommen dann lauter BERs und Stuttgart 21s dabei raus? Und am Ende haben wir bloß mehr Schulden, aber so wirklich verbessert hat sich nichts? /15
Ich glaube diesen Punkt muss man sehr ernst nehmen, und ich spreche ihn in meinem NZZ-Artikel deswegen ja auch gleich zu Beginn an.

Klar, es gibt es auch „endogene“ Bremsen was die Umsetzung von Investitionen betrifft... /16

nzz.ch/meinung/blocka…
Wenn zB durch die Sparpolitik der vergangenen Jahrzehnte in den Bauämtern vor Ort viel zu wenig Leute sind, dann muss man sich natürlich nicht wundern, wenn es dann an der Planung und Umsetzung von Projekten mangelt.

Hierzu eine aufschlussreiche Grafik @DIW_Berlin /17
Aber es stimmt schon: es hapert auch an überkomplexen Abläufen, ewig langen Planfeststellungsprüfungsprüfverfahren usw.

Und wenn ein Plan dann festgestellt wurde, dann findet sich immer noch eine Bürgerinitiative, die vorm Verwaltungsgericht einen Projektstopp erwirken will. /18
Ich habe auch keine Patentrezepte gegen dieses "Strukturproblem", die Mischung aus Bürokratie, Übergründlichkeit und NIMBYism.

Aber ich gebe @Ch_Eisenring recht, dass einfach nur „mehr Geld“ zu kurz springt, wenn man am Ende nicht bloß gegen Wände laufen will. /19
Daher wäre meine Hoffnung, dass das Problem der Infrastrukturmängel und des „Modernisierungsstaus“ in Deutschland von beiden Seiten angegangen würde.

Durch Beschleunigung und Vereinfachung der Verfahren, aber auch – ich bleibe dabei – durch mehr und verstetigteres Geld. /20
Denn die Alternative - ach, bringt doch eh alles nichts, lassen wir lieber alles so wie vorher - scheint mir jetzt nicht wirklich zukunftsweisend und zielführend zu sein.

So, das war's! Jetzt wieder ab ins Delirium 🤟🏼😎
(sorry @Ch_Eisenring , den konnte ich mir nicht verkneifen)
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